Vielfalt rechnet sich
Vielleicht können wir uns bald wieder an mehr bunt blühenden Wiesen erfreuen. Denn gibt es mehr als zehn Arten, rentiert sich das auch für die Bauern.
Wer am Land lebt, und spazieren geht, der hat es schon lange bemerkt. Satt blühende Wiesen und Weiden wie früher, die findet man heute kaum mehr. Doch warum ist das so? Weil es in der modernen Landwirtschaft allem voran darum geht, energiereiches Futter mit hohem Eiweißgehalt zu erzeugen. Diesen Futterwert bringen Gräser. Dazu kommen die intensive Düngung, und die Wiesen werden immer öfter gemäht. Immer öfter, das heißt fünf oder mehr Schnitte pro Saison, um Silage herzustellen. Früher brauchte man für Heu maximal drei. Bestäubende Insekten wie Honigbienen, Wildbienen, Hummeln, Schmetterlinge und Co. trifft das hart, weil sie auf den Pollennektar der Blüten angewiesen sind. Mit der ständigen Mahd wird ihnen dauerhaft das Futter entzogen. Und für uns wird sichtbar: Unsere Wiesen werden artenärmer.
Artenvielfalt können Bauern sich nicht leisten?
Mehr Artenvielfal bringt weniger Erträge und finanzielle Einbußen, wird von Seiten der Landwirte gerne argumentiert. Die Schweizer Graslandforscherin Nina Buchmann kennt das Problem: “Biodiversität gilt bei Bauern oft als nicht rentabel, aber wir zeigen: doch, sie kann sich rechnen”. Aber da geht noch mehr: “Landwirte, die Artenvielfalt auf ihren Wiesen und Weiden fördern, können sogar höhere Umsätze erzielen”, sagt Buchmann, die zusammen mit ihren Kollegen die ökonomischen Mehrwerte der Artenvielfalt in einem Grasland-Experiment für verschiedene Bewirtschaftungsintensitäten gezeigt hat.
Umsatz deutlich gesteigert
“Wir zeigen, dass die Artenvielfalt ein ökonomisch relevanter Produktionsfaktor ist”, erläutert ihr Kollege Robert Finger. Der Agarökonom sagt: “Wachsen auf der Wiese 16 Pflanzenarten statt nur eine, bleibt die Futterqualität des Heus zwar mehr oder weniger gleich, aber der Ertrag wird grösser. Deshalb steigt auch das erzielbare Einkommen aus dem Milchverkauf.” Diese Umsatzsteigerung sei vergleichbar mit dem Unterschied der Erträge zwischen extensiv und intensiv genutzten Wiesen. Das weiß man deshalb so genau, weil Daten aus dem langjährigen Jena-Experiment genutzt wurden, in dem unter anderem die unterschiedlichen Bewirtschaftungsweisen am gleichen Standort verglichen werden.
“Unsere Resultate zeigen, dass sich der Artenreichtum auf allen Wiesen ökonomisch positiv auswirkt, egal, ob sie nur einmal oder viermal im Jahr gemäht und gedüngt werden.”
Bei intensiverer Bewirtschaftung sei es allerdings schwierig, die Artenvielfalt hoch zu halten, weil nur wenige Pflanzenarten das Düngen und häufige Mähen ertragen.
Artenreichtum als Risikoversicherung
In dieser Deutlichkeit hätten die Forschenden ihre Resultate nicht erwartet. Dabei haben sie einen weiteren wichtigen ökonomischen Faktor noch gar nicht eingerechnet: “Die Biodiversität ist auch eine Art Risikoversicherung”, sagt Buchmann. Artenreiche Grasländer könnten Extremereignisse wie Dürren oder Überschwemmungen besser wegstecken, weil verschiedene Pflanzenarten unterschiedlich auf solche Umwelteinflüsse reagierten und etwaige Ausfälle teilweise kompensierten. “Die Erträge werden über die Zeit stabiler.” Die Forschenden sehen in ihren Ergebnissen einen klaren Hinweis, dass es sich für Landwirte lohnt, stärker auf eine grössere Pflanzenvielfalt in ihren Wiesen und Weiden zu achten. “Artenreiches Grasland zu erhalten oder wiederherzustellen, kann zu einer Win-Win-Situation führen.” Nicht nur würden die Erträge und der Betriebsumsatz steigen, sondern gleichzeitig die Bestäubung oder die Wasserqualität gestärkt und gefördert werden.