Kein gutes Zeugnis für Mercosur
Ein Team internationaler Wissenschafter – darunter auch BOKU-Experte Helmut Haberl – hat das EU-Mercosur Handelsabkommen unter die Lupe genommen.
In einem eben erschienenen Artikel in der Fachzeitschrift „One Earth“ stellen sie Mercosur kein gutes Zeugnis aus: Das Abkommen steht in vielen Punkten in klarem Gegensatz zu den Zielen des European Green Deals und widerspricht einer Reihe von Nachhaltigkeitskriterien.
Weg zu einem nachhaltigeren Handelsabkommen
In ihrem Artikel formulieren die Forscher Grundsätze nachhaltigerer Handelsabkommen. Deren Umsetzung erfordert rasches Handeln der europäischen Entscheidungsträger. Neben der Rückverfolgbarkeit der Herkunft von landwirtschaftlichen Produkten muss ein partizipativer Prozess eingeleitet werden, der indigene Völker, lokale Gruppen, politische Entscheidungsträger und Wissenschafter mit einbezieht. Weitere Mechanismen sind kollektive Rechtsbehelfe (damit unterrepräsentierte Gruppen rechtliche Schritte einleiten können), Due Diligence (damit Unternehmen rechtlich für ihre gesamten Lieferketten verantwortlich sind) und die Aussetzung des Handels mit Waren die im Zusammenhang mit Entwaldung oder Menschenrechtsverletzungen stehen.
“Wir wollen, dass die EU aufhört, Produkte zu importieren, deren Anbau im Ausland Chaos verursacht. Stattdessen sollte sie eine weltweit führende Rolle übernehmen, um nachhaltigen Handel zu ermöglichen”, so Laura Kehoe, die untersucht, wie und wo Fleischkonsum Entwaldung vorantreibt. “Wenn Lebensmittel auf illegal abgeholzten Flächen angebaut werden, warum ist es dann nicht illegal, sie zu kaufen?”
Der Artikel in der Fachzeitschrift „One Earth“ unterstreicht auch, wie die wirtschaftliche Macht von internationalem Handel als Anreiz genutzt werden könnte, dass Länder ihren Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen nachkommen: “Wichtig wäre es, Handelsverbote für bestimmte Waren und Dienstleistungen einzuführen – bis diese Waren grundlegenden Rechts- und Nachhaltigkeitskriterien entsprechen, die im Einklang mit den internationalen Abkommen stehen. Anbetracht des Mangels an rechtlichen Mechanismen zur Durchsetzung internationaler Abkommen könnte das eine wirkungsvolle politische Maßnahme sein.”
Es braucht rasche und konkrete Maßnahmen der EU
Gerade weil Entwaldung, Klimawandel und die Verletzung der Rechte indigener Völker zurzeit eskalieren, sind rasche und konkrete Maßnahmen der EU von entscheidender Bedeutung. “Das Zeitfenster zur Vermeidung der katastrophalen Folgen des Klimawandels schließt sich. Wie die Schulstreiks und Klimaproteste in ganz Europa gezeigt haben, werden viele Menschen Produktionspraktiken, die den Klimawandel verursachen, nicht länger hinnehmen”, so Prof. Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur Wien. In seiner Forschung untersucht er unter anderem, wie sich internationaler Handel auf die Landnutzung in den Erzeugerländern auswirkt.
Die traurige Ironie des Ganzen: Es würde eigentlich keinen Bedarf für weitere Entwaldung in Brasilien geben: Untersuchungen haben gezeigt, dass die prognostizierte künftige landwirtschaftliche Nachfrage durch die Verbesserung landwirtschaftlicher Praktiken und die Wiederherstellung degradierter Flächen gedeckt werden könnte, ohne dass eine weitere Umwandlung natürlicher Lebensräume erforderlich wäre.
https://www.cell.com/one-earth/fulltext/S2590-3322(20)30422-X
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