Pilotprojekt „Innovation Flüssige Energie“ zur Herstellung synthetischer Brenn- und Kraftstoffe. Das könnte auch was für die Landwirtschaft sein.

C02 mit Kreide auf einer Tafel

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Eine Zukunft mit deutlich reduziertem CO2-Ausstoß und Unabhängigkeit vom Import fossiler Rohstoffe scheint zum Greifen nahe. Grund dafür ist eine Kooperation zwischen dem Institut für Wärme und Öltechnik (IWO) und der AVL List Gmbh mit dem Ziel, Europas innovativste Power-to-Liquid-Anlage zu errichten. Diese soll es ermöglichen, Wasserstoff in Verbindung mit Kohlendioxid in klimafreundliche, synthetische Brenn- und Kraftstoffe umzuwandeln.

Der große Vorteil synthetischer Brenn- und Kraftstoffe liegt darin, dass die energetische Nutzung im Gegensatz zu fossilen Energieträgern CO2-neutral erfolgt. Somit würde damit eine massive Reduktion von Treibhausgasemissionen erreicht, ohne dabei auf Autos, Flugzeuge oder herkömmliche Heizungen verzichten zu müssen, denn: Eine Umrüstung bestehender Infrastruktur ist für die Verwendung nicht nötig. Auch die wirtschaftliche Rentabilität steht im Fokus: „Mit der von uns geplanten Anlage wird der Wirkungsgrad für die Erzeugung des synthetischen Brenn- und Kraftstoffes signifikant verbessert und so der Energieeinsatz an erneuerbarem Strom erheblich gesenkt“, erklärt Prof. Helmut List, CEO der AVL List GmbH. „Dadurch erzielt man auch deutlich niedrigere Herstellungskosten. Auf diesem Weg kann erneuerbare Energie kostengünstig, praxistauglich und effizient speicherbar gemacht werden.“

Österreich als Green Innovation Leader

Ein Umstand, durch den laut Jürgen Roth, Fachverbandsobmann Energiehandel WKO und Vorstandsvorsitzender des Instituts für Wärme und Öltechnik, nicht „nur“ die Umwelt profitiert, sondern auch viele Bürger: „Österreich = Green Innovation Leader. Die Vision eines leistbaren, CO2-neutralen, flüssigen und genormten Brenn- und Kraftstoffes, 100 Prozent Made in Austria, wird mit unserer Pilotanlage Realität. Dadurch leisten wir unseren Beitrag zum Umweltschutz und sorgen gleichzeitig dafür, dass bewährte Technik weiterhin verwendet werden kann.“

Österreich möchte bis 2030 Strom bilanziell zu 100 Prozent erneuerbar produzieren. Der im Sommer durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen entstehende Energieüberschuss muss für den Winter gespeichert werden. Konkret wird beim PtL-Verfahren (Power-to-Liquid) dieser überschüssige Strom aus Solar- und Windenergie verwendet, um Wasserstoff herzustellen. Dieser wird zusammen mit Kohlendioxid mittels des Fischer-Tropsch-Verfahrens chemisch verflüssigt. Dadurch entstehen synthetische Brenn- und Kraftstoffe, welche wie Diesel und Heizöl sofort verwendbar sind oder weiterverarbeitet werden können, zum Beispiel zu Kraftstoff für Flugzeugturbinen.

Mehr Unabhängigkeit vom internationalen Rohstoffmarkt

Der Bau der PtL-Anlage ist vollständig ausfinanziert und soll bereits in 24 Monaten die Produktion von flüssigen, CO2-neutralen Energieträgern zu leistbaren Preisen ermöglichen. Auch Magnus Brunner, Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, sieht gewaltiges Potenzial bei diesem Projekt: „Mein Zugang ist, dass unsere ambitionierten Klimaschutzziele durch Technologieoffenheit und Innovation am effektivsten erreicht werden können. Durch neue Lösungsansätze ebnen wir den Weg in eine nachhaltige Zukunft und schaffen damit gleichzeitig einen entscheidenden Vorteil für den Wirtschaftsstandort. Österreich wird durch den Ausbau erneuerbarer Energieträger sowie durch solche innovativen Ansätze unabhängiger vom Import fossiler Rohstoffe.“

IWO und AVL planen den Aufbau einer 1-MW-PtL-Demoanlage, die über eine elektrische Anschlussleistung von 1 MW erneuerbaren Strom verfügt und zweistufig ausgeführt wird. In der ersten Stufe wird Wasserstoff auf Basis des innovativen SOEC-Prozesses mit mehr als 80 Prozent Wirkungsgrad erzeugt. Parallel dazu wird CO2 aus einem Industrieabgas bzw. aus einer Biogas/Biomasse Anlage abgeschieden. In der zweiten Stufe werden Wasserstoff und CO2 einer Fischer-Tropsch-Syntheseanlage zugeführt, in der synthetischer Kraftstoff in drei unterschiedlichen Fraktionen erzeugt wird. In Summe wird die 1-MW-Anlage ungefähr 500.000 L Dieseläquivalent pro Jahr produzieren. Aufgrund des hocheffizienten SOECProzesses und weiterer Optimierungen werden dafür um 20 bis 30 Prozent weniger erneuerbarer Energieinput benötigt.

Die Hochtemperaturelektrolyse wird dabei komplett von AVL entwickelt, während die Fischer-Tropsch-Synthese gemeinsam mit einem Partner realisiert wird. Der Aufbau der Gesamtanlage wird von einem österreichischen Anlagenbauer unterstützt. Die genaue Detailauslegung erfolgt aktuell in einer Konzeptphase, die kürzlich gestartet wurde. Diese Anlage wird im europäischen Kontext eine der ersten Versuchsanlagen für die industrielle Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen darstellen und einen neuen Benchmark bezüglich der Energieeffizienz definieren. Die Anlage soll in ungefähr zwei Jahren den Testbetrieb aufnehmen. Der Standort wird aktuell in der Konzeptphase untersucht und festgelegt.

Wirtschaftlichkeit und Potenzial

Entscheidend für den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen sind die erzielbaren Herstellkosten. Der mit Abstand wichtigste Einflussfaktor auf die Herstellkosten ist der Strompreis, gefolgt von den erzielbaren Betriebsstunden. Dank des in diesem Projekt verfolgten innovativen Technologieansatzes liegen die erzielbaren Herstellkosten um 25 bis 35 Prozent unter denen von konventionellen Verfahren, primär bedingt durch den geringeren Stromverbrauch des Hochtemperaturelektrolyse-Verfahrens. Unter der Annahme eines niedrigen, jedoch realistischen Strompreises zeigt sich, dass Herstellkosten im Bereich von 1€/l bzw. knapp darüber möglich sind. In einem österreichischen Kontext sind wahrscheinlich dezentrale Anlagen in einer Größenordnung von 30 bis 100 MW vorteilhaft, die an bestehende CO2-Quellen (idealerweise Biomasse- bzw. Biogasanlagen) gekoppelt werden. Für zentrale, große Anlagen sind enorme Mengen an CO2 notwendig, die schwierig lokal bereitgestellt werden können.

Das Potential zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen ist erheblich: Im Jahr 2030, unter Annahme des Zieles der Bundesregierung einer bilanziell zu 100 Prozent regenerativen Stromerzeugung, könnten allein durch Ausnutzung von Überschussstrom 240 Mio. l synthetischer Kraftstoff erzeugt werden. Dies entspricht Energie, die sonst verloren wäre und nicht genutzt werden könnte. Bezieht man dann auch noch das verbleibende Potenzial von erneuerbaren Energieressourcen (PV, Wind, Wasserkraft) in Österreich mit ein, könnten 1,7 Mrd l synthetische Kraftstoffe hergestellt werden. Dies würde bei Weitem den Bedarf der Luftfahrt, den heutigen Heizölverbrauch oder etwa 20 Prozent des gesamten heutigen Benzin- und Dieselverbrauchs abdecken.

Hinter den Kulissen: die beiden Partner

AVL ist das weltweit größte, unabhängige Unternehmen für die Entwicklung, Simulation und das Testen von Antriebssystemen (Hybrid, Verbrennungsmotoren, Getriebe, Elektromotoren, Batterien, Brennstoffzellen und Software) für Pkw und Nutzfahrzeuge, deren Integration in das Fahrzeug, stationäre Hochleistungs-Anwendungen sowie ADAS/Autonomes Fahren. AVL beschäftigt weltweit mehr als 11.500 Mitarbeiter. 2019 betrug der Umsatz 1,97 Milliarden Euro.

Das IWO ist die Interessensvertretung der Mineralölwirtschaft am Raumwärmemarkt. Zu den Aufgaben des Instituts für Wärme und Öltechnik zählen die Erforschung und Entwicklung von klimafreundlichen, flüssigen Brennstoffen aus erneuerbaren Quellen und die Mitgestaltung des Transitionsprozesses von fossilen Brenn- und Kraftstoffen zu Flüssig-Brennstoffen aus erneuerbaren Quellen.