Zu gut für den Müll
Krumme Karotten bleiben am Acker liegen. Weil Konsumenten nur die geraden wollen, um sie dann im Biomüll zu entsorgen. Nur ein Schicksal von vielen.
29. September. Das ist der internationale Tag der Lebensmittelverschwendung. Warum die Vereinten Nationen das im letzten Jahr beschlossen haben, machen die Zahlen deutlich. Alleine in Österreich werden jährlich bis zu 521.000 Tonnen an genießbaren Lebensmitteln und damit bis zu 800 Euro pro Haushalt entsorgt. In der EU sind es nach Schätzungen rund 88 Millionen Tonnen Lebensmittel, die in den Abfall wandern. Eine aktuelle Iglo-Trendstudie unter 1.000 Befragten hat gezeigt, wir zwar ein hohes Bewusstsein haben, was das Thema anbelangt: Beinahe jeder (98 Prozent) gibt an, Maßnahmen zu setzen, um die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu vermeiden. Gleichzeit sagen 7 von 10, in den letzten drei Monaten Lebensmittel weggeworfen zu haben.
Verschwendung beginnt am Feld
Warum Gemüse am Acker liegen bleibt? “Weil es den Anforderungen des Marktes nicht genügt. Das kommt durch die schlechte Planbarkeit – immerhin handelt es sich um natürliche Produkte die unter schwankenden (Wetter)bedingungen wachsen – und die strengen Qualitätsvorgaben des Handels,” erläutert Gerhard Zoubek, Biobauer und Querdenken vom Biohof Adamah. Der Preisdruck ist hart und der Konsument – also wir – bereits so verwöhnt (oder verdorben), dass sich nur die Ernte und Verarbeitung der Kategorie A Ware lohnt. Weil, ganz ehrlich. So eine verwachsene, krumme Karotte lässt sich kaum schälen, das ist doch viel zu mühsam, oder? Die für Ware “minderer” Qualität erzielbaren Preise sind oft so gering, dass es dem Landwirt billiger kommt die “zu krummen Karotten” oder „zu kleinen Erdäpfel“ einfach zu entsorgen. Im besten Fall endet gutes Gemüse als Tierfutter, im schlechtesten als Biogas, Kompost oder werden schlicht am Feld eingeackert. Welche Lebensmittelmengen in der Landwirtschaft verloren gehen ist nicht bekannt, es dürften aber je nach Produkt zwischen 10 % und 50 % der Gesamtmengen sein, so ein Bericht von „Mutter Erde“. Der Anteil von Food Waste in der Landwirtschaft ist also enorm. Andere Verkaufswege als über den Handel, etwa Märkte oder die verarbeitende Industrie, spielen nur eine untergeordnete Rolle genauso wie die Weitergabe an Sozialmärkte, die mit 0,2 % der Ernteerträge unter der Wahrnehmungsgrenze liegt.
„Ein Millimeter Durchmesser mehr oder weniger kann das Schicksal einer einwandfreien Zwiebel schon besiegeln“, sagt Gudrun Obersteiner vom Institut für Abfallwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Vermarktungsnorm heißt der Grund, warum diese eigentlich einwandfreie Zwiebel auf dem Feld vor sich hingammelt statt auf unseren Tellern zu landen. Die schlechte Nachricht: es gibt noch mehr davon: Witterungs- und Bodenverhältnisse oder Erntetechnik beispielsweise, Maus- und Rehbisse oder Sonnenschäden. Letztgenannte führen dazu, dass z.B. bei Kürbissen ganze Früchte entsorgt oder am Feld gelassen werden – ungeachtet dessen, dass nur ein kleiner Teil beschädigt ist und sie gesundheitlich unbedenklich wären.
Weiter geht es im eigenen Haushalt
Unternehmen Sie selbst etwas, um Lebensmittelverschwendung zu verringern? Bei einer im Februar 2021 durchgeführten Umfrage gaben knapp 69 Prozent der Österreicher an, Lebensmittel einzufrieren um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. 67,5 Prozent essen Lebensmittel auch dann, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Im Abfall landeten allen voran Brot und Gebäck (40 Prozent), Obst (34 Prozent) sowie Gemüse (24 Prozent). Aber auch Milch- (21 Prozent) und Wurstprodukte (18 Prozent) fanden nicht selten den Weg in den Müll. Selten weggeworfen wurden hingegen Tiefkühlprodukte und Fertiggerichte (je 3 Prozent) sowie Fisch (4 Prozent), Eier (7 Prozent) sowie Fleisch und Mehlspeisen (je 8 Prozent).
Wer Lebensmittel länger haltbar machen will, kann sie einfrieren, einkochen oder einlegen. Immerhin 56 Prozent der Befragten geben an, das bereits zu tun. Da ist eindeutig noch viel Luft nach oben für uns alle.