Der EU-Agrarausschuss hat sich gegen Direktträgersorten und die damit einhergehende Diversität im Weinbausektor entschieden. Hierzulande sorgt das für spezielle Aufregung.

Stein des Anstoßes: Der Uhudler ©Burgenland Tourismus/Robert Haidinger

Was tut man, wenn die Reblaus zuschlägt und nichts übrig lässt an hiesigen Weinreben? Reblausresistente Weinreben importieren, beispielsweise aus Amerika, sie einsetzen und die europäischen Sorten aufpfropfen. Genau das haben die europäischen Weinbauern Ende des 19. Jahrhundert gemacht, als sie vor diesem Problem standen und damit die heimischen Reben gerettet. So weit, so gut. Ein Teil der Weinbauern, der es wissen wollte, setzte die US-Vertreter aber auch einfach so aus und produzierte Wein aus den Trauben der Direktträger  – die übrigens so genannt werden, weil sie nicht veredelt werden müssen. Das Ergebnis war anfangs ein “Haustrunk”, wurde dann aber zum unerwünschten Mitbewerber. Denjenigen, die ihn tranken, wurde unter anderem „Zornexzesse, Hysterie, Halluzinationen und Blässe” in Aussicht gestellt. Schuld daran sei der hohe Methanolgehalt der Direktträger-Weine. Zudem hapere es an der Qualität. Die Geschmacksnote, „Foxton“ genannt, sei seltsam, störend, süßlich oder an Gräser erinnernd. Es kam, was kommen musste: viel Tamtam und schon in den 1930ern  Beschränkungen, Rodungen und Verbote, die bis heute halten. Die Sorten Noah, Othello, Jacquez, Clinton, Herbemont und die hierzulande populäre Isabella dürfen in der EU noch immer nicht neu angepflanzt werden. Was insofern auch österreichische Weinbauern betrifft, weil der heimische Uhudler, ein Cuvee aus  Noah, Isabella, Elvira, Concord/Ripatella, Clinton und Delaware ist. Aber auch ihre italienischen Kollegen, die den Fragolino produzieren, plagen sich mit den Vorgaben. Was den Uhudler betrifft, so darf der derzeit im Burgenland angebaut werden, wo Neuauspflanzungen im Gesetz des Landes geregelt sind, und auf einer Fläche von 40 Hektar in der Steiermark.

Viele gute Gründe

Jetzt allerdings sah alles nach einem Happy End für die Direktträger auf EU-Ebene aus. Schließlich waren im Rahmen der gemeinsamen Marktordnung auch die Regeln für Wein und damit diese speziellen Rebsorten ein großes Thema. Und es gab bereits eine Empfehlung der EU-Kommission, das Auspflanzverbot der Direktträgersorten in der EU aufzuheben. Schließlich sei deren hohe Resistenz gegen Pflanzenkrankheiten wie den falschen und echten Mehltau in Zeiten des  Klimawandels nicht zu unterschätzen.

Die in der EU verbotenen sechs Rebsorten. ©Gerhard Kahr

Oder wie man es in einer Arche Noah-Studie formuliert: “Direktträger haben auch ein enormes Potenzial zur Lösung aktueller und zukünftiger ökologischer Herausforderungen.” Dort heißt es übrigens auch, dass es einen Markt für diese Weine gibt und  sie ein großes Potenzial haben, zur ländlichen Entwicklung beizutragen. Tatsächlich waren im vergangenen Jahrhundert Menschen mit niedrigem Einkommen die Zielgruppe, heute aber verkosten bereits zwei Drittel aller Burgenland-Touristen den Uhudler. Und in Italien sind Direktträger-Weine Bestandteil der lokalen Traditionen, etwa in Venetien, wo regelmäßig Weinfestivals veranstaltet werden. Viele positive Vorboten also. Und es gibt unermüdliche Kämpfer für das Kippen des Auspflanzungs-Verbots: Den grünen Europaabgeordneten Thomas Waiz etwa, der einen diesbezüglichen Antrag stellte, aber auch den heimischen Verein Arche Noah, der alte Sorten bewahrt. Doch erstens kommt es manchmal anders, als man zweitens denkt.

Alles auf Anfang

Überraschend hat der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments  gestern Abend die Pläne der Europäischen Kommission, das Verbot aufzuheben, ebenso abgelehnt, wie den Anbau von Hybrid-Sorten, die aus „nicht-europäischen“ Weinsorten entwickelt werden.Weiterhin dürfen lediglich bereits existierende historische Weingärten wieder mit diesen Direktträgern nachbepflanzt werden. Gonçalo Macedo, Koordinator für Landwirtschaftspolitik bei Arche Noah sagt: “Die Mitglieder des EU-Agrarausschusses haben gegen mehr Vielfalt im Weinbau gestimmt, dabei wäre genau die eine Voraussetzung, um den Pestizideinsatz im europäischen Weinbau zu reduzieren.” Die Nutzung von resistenten Hybrid-Sorten hätte Bauern Geld gespart, Konsumenten erfreut und die Anpassung an die Klimakrise erleichtert. Für Österreich? „Bedeutet der Kompromiss zwar eine Absicherung der wenigen im Burgenland und der Steiermark noch existierenden historischen Anbauflächen, aber keine Möglichkeit, die großen Potentiale dieser Sorten für ökologischeren Weinbau oder auch als Sympathieträger für den Tourismus zu nutzen“, so Macedo. Auch die Entscheidung im Hinblick auf die Hybridsorten versteht er nicht. “Für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt stellen diese eine wichtige pflanzengenetische Ressource dar. Diese Rebsorten verfügen über natürliche Resistenzen und bergen damit ein enormes ökologisches Potential, weil sie ohne Spritzmittel auskommen.” Im heimischen Landwirtschaftsministerium steht man hinter der EU-Entscheidung. Der europäische Weingeschmack werde damit gewahrt – das sagt übrigens auch der europäische Weinverband. Abgesehen davon habe es durch das EU-Verbot schon 30 Jahre keine züchterische Arbeit mit den Sorten mehr gegeben. Und also würden sie aktuellen Anforderungen nicht mehr entsprechen – etwa im Bereich Pilzbefall und bei anderen Parasiten, aber auch was die Ertragssicherheit und den Geschmack beträfe.Waitz sagte, dass sich Frankreich und andere südliche Länder durchgesetzt hätten, was die nunmehrige Entscheidung betrifft. Die hätten Konkurrenz aus Nordeuropa befürchtet. Finnland, Dänemark und Luxemburg hatten Interesse bekundet, in den Weinbau einzusteigen. Dass der Uhudler andere Weinmarken bedrohe, wies der Politiker als “Unsinn” zurück.

Der Uhudler wird aus Direktträger-Rebsorten gewonnen, die ursprünglich Ende des 19. Jahrhunderts. aus den USA nach Europa eingeführt, aber bereits in den 1930er Jahren in ihrer Ausbreitung unterbunden wurden – je nach Nation mit unterschiedlich argumentierten (kulturellen und wirtschaftlichen) Konkurrenzbedenken gegenüber den traditionellen europäischen Rebsorten. 

http://www.uhudlerverein.at 

http://www.arche-noah.at