Eine Handvoll heimische Bauern versuchen sich an Süßkartoffeln. Das ist gut. Denn bisher reiste das Superfood oft von weither an – aus Südamerika, China oder den USA.

Die Süßkartoffel-Bauern aus Herrnbaumgarten: Markus und Julia Habermann. ©süsskartoffel.at

Wenn man in Herrnbaumgarten bei Mistelbach zusammensitzt und Süßkartoffelchips zu einem Achterl Weinviertel-DAC knabbert, kann man mitunter auf verrückte Ideen kommen. Etwa darauf, Süßkartoffel-Bauer zu werden. Einfach, weil das Zeug so köstlich ist, einem der lange Weg aus Südamerika aber gegen den Strich geht. So war es bei den Habermanns. Das ökologische Gewissen schlug zu, sagt Markus Habermann, im Brotberuf Pressesprecher von Landesrat Martin Eichtinger. Es kam, wie es kommen musste: “150 Youtube-Tutorials und unzählige Achterl später pflanzen wir unsere eigenen Süßkartoffel am elterlichen Acker an.” Dass man biologisch arbeitet, versteht sich von selbst. Trotzdem es nur wenig Erfahrungswerte gibt, trug das in Weinlaune entstandene Projekt im vorigen Herbst bereits erfolgreich Früchte: „Wir haben mit mehreren hundert Pflanzen mehrere hundert Kilogramm Süßkartoffeln geerntet“, sagt Habermann.

Auch andere Niederösterreicher versuchen sich am Anbau, etwa Valentina Zehetbauer aus Gänserndorf. Die ist mit ihrem Projekt Dolce Rosa – die Süßkartoffel aus dem Marchfeld gerade für den Vifzack 2019 nominiert, den die Landwirtschaftskammer NÖ vergibt. Rein objektiv betrachtet ist das mit dem Süßkartoffelanbau übrigens nicht die schlechteste Idee. Denn die Knolle, die Christoph Columbus nach Europa brachte, kann einiges. Gesundheitspapst Hademar Bankhofer nennt sie gern “Cholesterin- und Blutzucker-Polizei”.

Cholesterin- und Blutzuckerpolizei

Tatsächlich punktet sie neben den Vitaminen B6 und C, Kupfer, Mangan und Betacarotin mit dem Wirkstoff „Caiapo“. Der hat einen höchst positiven Effekt auf Blutfett- und Blutzuckerwerte, wie Forscher in Wien und Padua herausfanden. Abgesehen davon enthält die Süßkartoffel Antioxidantien und Anthocyane, die  Entzündungen im Körper bekämpfen und einer frühzeitigen Arteriosklerose vorbeugen.

Die Süßkartoffel (Ipomoea batatas (L.) Lam.) oder Batate

Sie stammt ursprünglich vermutlich aus Mexiko und ist botanisch nicht mit der Kartoffel verwandt. Süßkartoffeln bilden Wurzelknollen aus und gehören zu den Windengewächsen, die sprossknollenbildende Kartoffel zu den Nachtschattengewächsen. Die Formen der Süßkartoffelknollen variieren von rundlich bis länglich, die Schalenfarbe von purpurrot bis gelblich oder weißlich. Das Innere der Knollen ist weißlich, gelblich bis tieforange/rot. Mit einer Jahresernte von knapp 107 Millionen Tonnen ist sie nach Kartoffeln und Maniok  auf dem dritten Platz der Weltproduktion von Wurzel-/Knollennahrungspflanzen; größter Produzent ist China. In Europa wird sie unter anderem in Portugal und Spanien angebaut. Es gibt etwa 5.000 Sorten.

Anders ausgedrückt: Süßkartoffeln tragen zum Schutz vor Rheuma und Gicht bei. Im Übrigen handelt es sich dabei um Windengewächse. Die uns vertrauten Kartoffeln gehören dagegen zu den Nachtschattengewächsen, die Alkaloide und schwer verdauliche Pflanzenwirkstoffe namens Lektine enthalten. Wer Darmprobleme hat, der greift also besser zu den Süßkartoffeln. Lange Zeit waren die aber allem voran Importware. Aktuell übersteigt die weltweite Jahresernte 107 Millionen Tonnen. Größter Produzent ist mit Abstand China. Süßkartoffeln in Österreich anzubauen, das ist ein risikoreiches Unterfangen. Denn sie brauchen viel Wärme, wachsen erst ab einer Temperatur von 18 Grad Celsius ordentlich und vertragen Temperaturen unter 10 Grad nur schlecht. Weil sie frostempfindlich sind, sollte man sie erst ab Mai pflanzen und ihr Wasserbedarf ist relativ hoch. In trockenen Jahren muss man sie deshalb auch bewässern. Doch wirklich innovative Köpfe schreckt das nicht ab. Einer davon, Alois Lang, lebt im Burgenland. Er versuchte sich bereits lange vor den Habermanns und Valentina Zehetbauer an der Kultivierung der subtropischen Pflanze und ebnete damit den Weg für alle heimischen Nachfolger – die man allerdings noch heute an zwei Händen abzählen kann. Langs Experimente im Seewinkel begannen schon 2011. Ob der Weg zur Batate ein steiniger war? Das kann man getrost so sagen: “Es gab in Europa kein professionelles Saatgut dafür; inklusive der Sorten, die bei uns eine gute Chance haben zu gedeihen”, sagt Lang. Der Ertrag pro Pflanze sei außerdem nicht wirklich prognostizierbar gewesen. Schließlich sei der oberirdische Blattwuchs kein geeigneter Indikator dafür, ob sich letztendlich überhaupt auch (unterirdische) Knollen bilden werden. Die Knollenbildung findet  nämlich erst ganz zum Schluss statt: “Man sieht das Ergebnis gewissermaßen erst beim Ernten.”

Seewinkler Wegbereiter

Langs Lebenslauf lässt die Liebe zur Süßkartoffel nicht unbedingt vermuten. Da finden sich die Stichworte Weinbauernfamilie, Software-Branche, Hobbygärtner. Allerdings hat er’s offenbar mit den Exoten, baute schon vor über 35 Jahren hierzulande Kiwis an. Nicht in den Tropen zu sein, das hält er sogar für Glück: “Viele der sonst üblichen Krankheiten existieren hier – noch – nicht.” Dass er schon 2013 Kaliber von dreieinhalb Kilo erntete, das beeindruckte sogar die im Süßkartoffelanbau geeichten Amerikaner.

Rekordknolle (3,4kg) ©burgenlandbatata

Die Knollen gedeihen auch bei ihm ohne jedwede Art von Gift, will heißen Pflanzenschutz. Wie das geht? “Die Knollen – eigentlich: Wurzeln, das darf man nie vergessen – wachsen eher unregelmäßiger in Form, Größe, etc., was auch viel mit dem Klima zu tun hat. Unsere Felder liegen außerdem mitten im Nationalpark-Naturschutzgebiet, umgeben von unberührten Wiesen – die voller Insekten sind, die diese Wurzel ebenfalls lieben, und dies bevorzugt mit einem Biss in die heranwachsenden Knollen dokumentieren. Sie sind also einfach „Naturiger“. Wie die unmanipulierte Natur sie eben wachsen lässt.” Orangefarbig sind übrigens nur die Wenigsten, versucht sich Lang in Aufklärung über die Exoten: “99 von 100 der weltweit konsumierten Süßkartoffeln sind eher creme-fleischig; orange-farbige Sorten spielen so gut wie keine Rolle.” Die Creme-fleischigen, sagt er sind weit vielfältiger einsetzbar: “Schon weil sie etwas fester kochend sind und auch meist weniger süß.” Schälen ist übrigens ein No Go, wenn die Batate unbehandelt ist. “In, bzw. gleich unter der Schale liegen genau jene Krebsfighter, bioaktiven Wirkstoffe, etc. etc. etc., die ihre Reputation erst begründen.” Und ja, roh darf man sie auch essen. Zwar gäbe es auch Fälle von hoher Empfindlichkeit, die Gefahr einer Oxalat-Vergiftung stelle sich beim Süßkartoffelkonsum, sofern in halbwegs normalen Mengengrößen, aber nicht. Eher sei das bei Spinat, Rote Rübe oder Rhabarber der Fall.

Und die Zukunft?

Bei der Schweizer Forschungsanstalt Agrascope hält man das Produktionspotenzial für Süßkartoffeln im Freilandanbau in Mitteleuropa für beschränkt. Dennoch, so heißt es, könnte sie wegen ihrer großen Toleranz gegenüber Hitze in Zukunft für den Gemüseanbau interessant sein, gerade auch, weil sie sich bei jüngeren Generationen zunehmender Beliebtheit erfreue. Bei der heimischen Arche Noah sieht man das anders: Dort glaubt man, dass sich “wärmeliebende Neuentdeckungen wie Spaghettibohne oder Süßkartoffeln in Zeiten des Klimawandels wohl bald zu Klassikern entwickeln.”

http://www.süsskartoffel.at/

https://www.zuerbiserei.at/#DolceRosa

http://www.burgenlandbatata.at