Von Jahresbeginn bis zum 2. Mai landen weltweit rechnerisch alle produzierten Lebensmittel im Mist. Dieser Verschwendung wird der heutige Tag gewidmet.

Aufgrund des achtlosen Umgangs mit Nahrung rief der WWF den Tag der Lebensmittelverschwendung aus. © WWF

Was meinen Sie? Wie viel an Lebensmitteln, die man noch essen könnte, wird weltweit weggeschmissen oder verrottet gleich auf den Feldern? Egal, wie viel Sie schätzen, es ist mehr. Ein sattes Drittel landet im Müll. In Tonnen gerechnet sind das rund 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr – eine unvorstellbar große Menge. Natürlich endet nicht alles davon im Hausmüll. In weniger entwickelten Ländern geht viel in der landwirtschaftlichen Produktion verloren. Aber in Industrieländern wie Österreich, da dürfen sich tatsächlich allem voran der Handel und die Konsumenten an der Nase nehmen. Also wir. Und das nicht nur, weil wir aufgrund fehlender Einkaufsplanung und strikter Einhaltung von Ablaufdaten vieles entsorgen, das eigentlich noch brauchbar wäre. Nein, es sind auch die Erwartungen, die ein Problem sind. Viel Obst und Gemüse wird beispielsweise erst gar nicht geerntet, weil es in Aussehen und Form nicht der erwarteten Norm entspricht.

Über die Hälfte in der EU geht auf Kosten der Haushalte

Wie viel noch gute Nahrungsmittel tatsächlich daheim entsorgt werden, dazu hat die Europäische Kommission Zahlen. Die erwähnten 173 Kilogramm Lebensmittel, die pro Person in der EU jährlich weggeworfen werden, machen insgesamt 88 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr. Über die Hälfte davon wandert in die privaten Tonnen (53 Prozent). Was nicht verwundert, wenn man weiß, dass Haushalte im Durchschnitt ein Viertel der gekauften Lebensmittel wegwerfen. Vieles davon sogar ungeöffnet. Für weitere 30 Prozent sind Landwirtschaft und Produzenten verantwortlich, für immerhin noch 12 Prozent die Gastronomie und fünf Prozent der Handel. In Tonnen fallen in Österreich 760.000 an Lebensmittelabfällen und -verlusten jährlich an, sagt eine  Studie des Ökologie-Instituts aus 2017, der WWF beziffert sie heute mit 577.000 Tonnen Die Hälfte davon ist unnötig. Landwirtschaft und Produktion sind übrigens in der erstgenannten Zahl nicht eingerechnet, weil es in diesen Bereichen keine Gesamtzahlen gibt. Im  österreichischen Restmüll landen jährlich 267.000 Tonnen Lebensmittel. Ganz vorne mit dabei sind Gemüse, Brot und Milchprodukte. 90.700 Tonnen Lebensmittelabfälle schaffen es in der Biotonne. Macht dann summa summarum 357.700 Tonnen an Lebensmitteln und Speiseresten im Müll. Nicht inkludiert ist da, was  in der Kanalisation und der Eigenkompostierung landet oder an Haustiere verfüttert wird.

Aber eigentlich ist doch der Handel schuld?

Ja und Nein. Vergessen Sie nicht Ihre Macht als Konsument. Die ist groß, da kommen wir nicht drum herum. Aber der Handel trägt natürlich einen Gutteil zur Lebensmittelverschwendung bei. Auch dazu gibt es eine ganz gute Zahlenlage was Österreich betrifft, die allerdings schon sechs Jahre alt ist. Da gab es im Handel 74.100 Tonnen an Bruch- und Abschreibungen von Lebensmitteln. 35.600 Tonnen wurden an nicht verkauftem Brot und Gebäck an Lieferanten retourniert. Am Ende landet alles im Mist, da braucht man sich nichts vorzumachen. Denn gerade mal sechs Prozent der nicht verkauften Lebensmittel kommen sozialen Projekten zugute. Und der Handel hätte tatsächlich zwei Hebel, an denen er ansetzen könnte, nämlich seine Qualitätsansprüche bezüglich Optik und Größe von Obst und Gemüse und seine Angebotspolitik. Wer kennt das nicht, dass man zu viel einkauft, wenn Mengenrabatte, Großpackungen und Preisaktionen locken. Somit, ja, der Lebensmitteileinzelhandel ist ein wichtiger Akteur im ganzen Spiel. Aber Sie müssen nicht mitspielen.

Das Mindeshaltbarkeitsdatum: Eine Geschichte voller Missverständnisse

Apropos nicht mitspielen: Nein, das Mindeshaltbarkeitsdatum (MHD) ist kein empfohlenes Wegwerfdatum. Vergleichen Sie es mit der Garantie Ihres Fernsehers. Den würde man ja auch nicht wegschmeißen, nur weil die abgelaufen ist. Die bessere Variante wäre, sich auf Augen, Nase und Mund zu verlassen. Schaut ein Lebensmittel noch gut aus, riecht es gut und schmeckt es, gibt es keinen Grund, es nach dem Ablauf des Mindeshaltbarkeitsdatums nicht mehr zu essen. Doch, das passiert ständig. Studien aus England zeigen, dass ein Drittel der Lebensmittel schon vor Ablauf des MHD weggeworfen werden.

Und dann ist da noch die Lagerung. Auch hier ist Wissen Macht. Um nur zwei kleine Beispiele zu nennen: Obst und Gemüse hält gekühlt meist länger. Brot verdirbt im Gegensatz dazu im Kühlschrank schneller. Das wussten Sie? Nun, dann gehören Sie zu den 23 Prozent, die angeben, frisches Obst im Kühlschrank aufzubewahren. Beim Gemüse sind das immerhin 53 Prozent. Allgemeinwissen ist das also offenbar nicht.

Über das nicht aufgegessene Schnitzel im Beisl

Gegessen und Weggeschmissen wird natürlich nicht nur zu Hause, sondern auch in Kantinen, Großküchen, der Gastronomie und im Tourismus. Pro Betrieb bleiben 4,4 Tonnen oder 8.000 Euro in Form von nicht aufgegessenen Schnitzeln, übrig gebliebenen Beilagen oder nicht ausgegebenen Speisen, etwa bei Caterings, auf der Strecke. Die Initiative United Against Waste (UAW) beziffert für Österreich jährlich rund 61.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle in der Gemeinschaftsverpflegung, 50.000 Tonnen in der Beherbergung, 45.000 Tonnen in der Gastronomie sowie 19.000 in sonstigen Betrieben wie beispielsweise Kaffeehäusern. Woran das liegt, weiß man natürlich auch längst: an zu großen Portionen, Buffetresten, die aus hygienerechtlichen Gründen entsorgt werden, der Produktionsplanung, schwankenden Kundenzahlen und der Kommunikation zwischen Gast, Service und Küche. Bleibt die leise Hoffnung, dass all dieses Wissen irgendwann auch eine Veränderung mit sich bringt.

Ansätze der Politik Das heimische Lebensministerium setzt seit 2014 eine Informationskampagne („Lebensmittel sind kostbar“). Das Regierungsprogramm definiert das Ziel, den Lebensmittelmüll um 20 Prozent zu senken – allerdings ohne Zeitplan. Wer zuständig ist, ist auch nicht ganz klar: Der Bereich der Lebensmittelverschwendung liegt sowohl beim BmLFUW (Umwelt, Abfall, Landwirtschaft) als auch beim Gesundheitsministerium (Hygienevorschriften). Andere sind da schon weiter: In Frankreich werden Supermärkte ab einer Verkaufsfläche von 400 Quadratmetern seit Jahresbeginn verpflichtet, nicht verkaufte Waren billiger abzugeben oder zu spenden In der EU gibt es das “Kreislaufwirtschaftspaket”. DER darin enthaltene Vorschlag für eine Abfall-Richtlinie definiert analog zum UN-Ziel einer Halbierung von Food Waste bis 2030 zumindest eine Berichtspflicht: Die EU-Staaten müssen der EU-Kommission ab 2020 alle zwei Jahre ihre Reduktionsfortschritte dokumentieren. 

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