Geflügelte Gedanken
Heute ist der Tag des Geflügels. Angeblich noch so eine Erfindung der Industrie, um den Absatz anzukurbeln. Sollten wir uns da nicht unsere Gedanken machen?
Die Frage nach der Beliebtheit von Geflügel lässt sich leicht beantworten. Es ist fettarm, proteinreich und leicht zuzubereiten. Zudem zeigt es Kombinationsvermögen und ist ein Speisekarten-Universalist. Es kommt in allen Kulturen auf den Teller, und würde selbst in Mensen und Kantinen kein religiöses Problem verursachen. Ein Streifzug rund um den Globus beweist es. Geflügelgerichte sind allerorts beliebt. Die Österreicher schwören auf ihr knuspriges Brathendl, bei den Franzosen ist das “Coq au vin” ein Klassiker – also der Hahn im Wein. Im wohl berühmteste Gericht aus China, bereits im 14. Jahrhundert in der Ming Dynastie erwähnt, wird die speziell gezüchtete Peking Ente auf sehr aufwendige Weise zubereitet. In Thailand fusioniert das Huhn im Wok mit allerlei Gemüse und Gewürzen zu einem asiatisch scharfen Genuss. In der orientalischen Küche landet das Geflügel im Tajine. Geflügelgerichte beweisen einerseits sommerlich Leichtigkeit, man denke nur an die feinen Putenstreifen auf knackigem Salat. Andererseits können Hähnchen und Konsorten mit cremigen Saucen und üppigen Beilagen auch recht deftig serviert werden. Sie brillieren durch ihre Unkompliziertheit in der Verarbeitung, haben aber auch in der aufwendigen Küche ihren Platz. Sie nähren uns im Alltag, wissen sich aber auch für Festtage in Schale zu werfen.
Das Haushuhn hat Geschichte
Beim Wort Geflügel drehen sich unsere Gedanken meist um Hähnchen, Pute, Gans und Ente. Doch die Auswahl des Fleisches ist weitaus größer. Perlhuhn, Wachtel und Rebhuhn sind beispielsweise fest in der gehobenen Küche integriert. Es ist jedoch das unscheinbare Haushuhn, das die älteste erforschte Geschichte aufzuweisen hat. Die Domestizierung des Huhnes begann bereits im sechsten Jahrhundert vor Christus. Das belegen archäologische Forschungen in China anhand von Knochenfunden. Wir blicken also schon auf eine sehr lange gemeinsame Geschichte zurück. Mit dem Einzug der Massentierhaltung hat diese Beziehung allerdings einen ordentlichen Knacks bekommen.
Mehr gesundes Mitgefühl
Man sieht dem frostig, steril verpackten Hähnchenfilet im Supermarkt seine oft traurige Vergangenheit nicht an. Leider. Wäre dem so, würden wir bei der Auswahl aufmerksamer sein. Wir kaufen eine Leidensgeschichte. Was da vor uns in der Pfanne brutzelt, könnte an Knochendeformationen, Gelenkentzündungen, Beinschäden, Herz-und Kreislauferkrankungen, Infektionskrankheiten, Hautverletzungen durch Picken oder Kratzen gelitten haben. Nicht zu vergessen ist der Stress, dem die Tiere ausgesetzt waren. Trotz ihrer kurzen Lebensdauer werden Masthühner krank oder besser gesagt krank gemacht. Durch die industriellen Haltungsbedingungen, durch das Mästen mit hochverarbeitetem Kraftfutter, das Verabreichen von Antibiotika und die fehlende Bewegung. Sie können auch ihrem natürlichen Pflegeverhalten nicht mehr nachgehen. Im Staub baden, mit den Flügeln schlagen um diese zu lüften. Sich Strecken, um sich das Gefieder zu putzen. Dazu sind die Masthühner aufgrund ihrer angezüchteten großen Muskelmasse nicht mehr in der Lage. Ihr Gefieder ist meist stark vom Gemisch aus Einstreu- und Exkrementen verschmutzt. Effizienzterror verurteilt die Tiere zu Leid und Schmerz – von der Aufzucht bis zur Tötung. Zudem kommt Geflügelfutter meist aus Übersee. Regenwald wird gerodet, um Soja für die Futtermittelindustrie anzubauen. Nachdem wir eine Vorliebe für das Bruststück haben, produzieren wir einen Fleischüberschuss, denn so ein Tier besteht nicht nur aus Brust. So werden Schenkel und Flügel häufig exportiert. Das wiederum macht die Märkte in anderen Ländern kaputt.
Von wegen dummes Huhn
Wissenschaftliche Studien beweisen, dass Hühner in ihren mentalen Fähigkeiten unterschätzt werden. Sie haben Gefühl, Verstand, ein gutes Gedächtnis und persönliche Eigenheiten. Sie tricksen gerne einander aus. Spätestens mit dem Wissen um die kognitiven und emotionalen Fähigkeiten der Tiere, sollten wir uns verstärkt für ihre Herkunft und die artgerechte Haltung interessieren. Was für ein Leben hat das Tier geführt bevor es auf unserem Teller gelandet ist? Tierwohl, natürlich nicht nur das von Hähnchen, Pute & Co, und unser eigenes Wohl sind eng miteinander verwoben. Ein mit Antibiotika und Stress angereichertes Stück Fleisch kann auch der eigenen Gesundheit nicht guttun. Gesunde Ernährung ist nur dann möglich, wenn wir eine gewisse Ehrfurcht vor der Schöpfung haben. Wenn es den Tieren gut gegangen ist und wir Schrottpreise vom Discounter ignorieren. Wir haben die Wahl. Die beste Entscheidung ist die, für den heimischen Produzenten. Der abseits von Agrarfabriken und Dumpingpreisen, den Tieren ein artgerechtes Leben und einen schmerzfreien Tod ermöglicht. Auch am Ende sollten wir ihnen noch den Respekt erweisen, den sie verdienen.
Wir haben bereits berichtet: Hendlparadis?