2016 haben die fünf blün-Gründer die erste heimische, kommerzielle Aquaponik-Anlage gebaut. Heute verkaufen sie jährlich zwölf Tonnen Wels und Barsch sowie zehn Tonnen Gemüse und wollen weiter wachsen – mittels Crowdfunding. Grund genug für uns, mit ihnen zurück und nach vorn zu blicken.

Die “blün Boys”: Michael Berlin, Stefan Bauer, Philipp Filzwieser, Gregor Hoffman und Bernhard Zehetbauer. ©blün

Bauernladen.at: blün ist die erste kommerzielle Aquaponikanlage Österreichs, die nachhaltige Technologie, Fischzucht und Gemüsebau in einem geschlossenem Kreislauf im 22. Wiener Gemeindebezirk vereint. Wie kommt man überhaupt auf so eine Idee?

Michael Berlin:  Bernhard Zehetbauer und ich haben uns im Zuge der Übernahme des landwirtschaftlichen Familienbetriebs  folgende Frage gestellt:  “Wo sehen wir uns beruflich in 20 Jahren, wenn wir den Betrieb selbst übergeben?” Eine Übereinstimmung in gemeinsamen Zielen – wie nachhaltige und lokale Produktion, schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen sowie gesunde Lebensmittel – führte uns rasch zu der Idee einer Kreislaufwirtschaft. Nicht zuletzt war es von großer Bedeutung, möglichst viele Produktionsmittel selber “in house” herzustellen, um so auch unabhängig von äußeren Faktoren wie Großkonzernen oder Finanzmärkte etc. zu sein. Somit war das Interesse am Aquaponik-Verfahren geweckt. Am Weg zur Umsetzung einer eigenen Anlage wurde das Team durch Gregor Hoffmann, Philipp Filzwieser und Stefan Bauer erweitert und gemeinsam wurden Aquaponik-Anlagen in Deutschland und der Schweiz besichtigt. 2016 haben wir dann die erste heimische, kommerzielle Aquaponik-Anlage in Österreich gebaut.

Bauernladen.at: Hatten Sie Vorbilder, die  Sie inspiriert haben?

Berlin: Das ist schwierig zu beantworten. Beispiele, die es am Markt in diversen Ländern gab, haben sich aus unserer Sicht zu sehr mit dem System Aquaponik selbst in technischer Hinsicht beschäftigt, sprich waren forschungsnahe Projekte, ein Teil großer Genossenschaftskomplexe, oder sie wollten Anlagen verkaufen. Den Zugang zu einem Kreislaufmodell, das kommerziell zukunftsfähig ist und dabei Spitzenqualitäten erzeugt war neu. Am Markt gab es bereits Waldland mit einer Pilotanlage, die Urban Farmers, Zürich und auch ECF-Berlin. Wir haben uns Aquakulturbetriebe, Forschungsanstalten, Anlagenbauer und viele Branchenteilnehmer aus Produktion und Vertrieb angesehen, dann aber  konsequent unseren eigenen Weg entwickelt.

In seinem Leben verbraucht ein 1 kg schwerer Fisch unter 120 Liter Wasser und produziert bis zum Verzehr knapp 3 kg CO2.

Bauernladen: Für diejenigen, die blün noch nicht kennen: Wie darf man sich das vorstellen, eine Kreislaufwirtschaft von Fisch und Gemüse?

Berlin: Aquaponik ist ein Verfahren, das Techniken der Aufzucht zur Fischen in Aquakultur und der Kultivierung von Nutzpflanzen in Hydrokultur verbindet. Bei einer Aquaponik Anlage handelt es sich immer um die Kombination einer geschlossenen Kreislaufanlage zur Fischproduktion und einer Hydroponikanlage zur Pflanzenzucht, zum Beispiel für Gemüse und Kräuter. Das heißt, bei dieser Form der Aquakultur wird das Abwasser gleich zur Düngung des Gemüses verwendet. Die Fisch- und die Gemüseproduktion werden quasi zusammengeschlossen.

Bauernladen.at: Und die Umsetzung, wo lagen da die Stolpersteine?

Berlin: Wir haben einen Projekt- und Businessplan erstellt, eine Vision, Mission und Meilensteine erarbeitet  – bei uns sind ja Profis an Bord. Die entsprechenden Schritte haben wir noch in einer Arge Wiener Fisch erarbeitet, das dauerte rund ein Dreiviertel-Jahr. Nach Abschluss des Projektes gründeten wir, reichten unser Projekt zur Förderung ein und fingen nach Genehmigung der Förderungen aus dem EMFF sofort an zu bauen. Die Produktion starteten wir dann mit etwas größeren Besatzfischen, um schneller am Markt zu sein. Als erste Verkaufseinheit diente übrigens ein in Blün-farben angestrichender Punschstand.

Bauernladen.at:  Sie setzen auf Wels und Barsch. Warum eignen sich gerade diese beiden Fische so gut und denken Sie auch daran, das Sortiment zu erweitern?

Berlin: Die technische Art und Weise der Anlagen schafft naturgemäß etwas Hürden bei allen Stakeholdern. Man muss also erklären können, warum und wieso. Bei den Fischen ist das relativ einfach. Der WWF empfiehlt diese Art der Produktion sowie die beiden Fische in seinem Einkaufsguide. Wir halten die Barsche und die Welse in getrennten Becken, weil die Welse mehr Ruhe brauchen als die Barsche, und auch Dunkelheit. Die Fische leben sechs bzw. neun Monate in einem separaten Raum in der Gärtnerei, bis sie geschlachtet werden können. Das Wasser läuft ständig im Kreislauf über einen Biofilter, der das Herzstück unserer Anlage ist. Jeden Tag geben wir rund zehn Prozent Frischwasser dazu und genauso viel Wasser pumpen wir ab. Dieses wird dann zum Bewässern und Düngen unseres Gemüses verwendet. Wir können uns auch vorstellen, noch andere Arten, die für eine derartige Form der Haltung geeignet sind, aufzunehmen.

Bauernladen.at: Wo stehen Sie im Moment, wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Berlin: Aktuell werden jährlich bereits Zwölf Tonnen des “Wiener Fisches” verkauft – aufgrund der hohen Nachfrage rechen wir im Jahr 2020 mit einer drei- bis vierfachen Absatzmenge. Seit einigen Monanten haben wir einen Teilzeit Vertriebsmitarbeiter, der uns sehr hilft, unsere Produkte in die Wiener Gastronomie zu bringen. Wir haben einen  funktionellen Webshop gebaut und haben eine schnelle nachhaltige Vertriebsschiene über die Post “Fresh” entwickelt. Man kann unsere Produkte gekühlt vor die Tür bestellen. Supereinfach, superschnell, superfrisch. Supernachhaltig übrigens auch – die Post hat unlängst einen Award diesbezüglich gewonnen. Im Augenblick läuft über greenrocket eine crowdfunding Kampagne. Seit wenigen Wochen arbeitet ein weiterer Fischwirt in unseren Anlagen. Wir erweitern und bauen aus.

Bauernladen.at: Welchen Stellenwert wird Aquaponik künftig in Städten haben?

Berlin: Die Aquakultur hat heute ja bereits einen großen Anteil an der gesamten Fischressource. Im Gegensatz zu vielen küstennahen Farmen tragen wir allerdings nicht zur Eutrophierung dieser empfindlichen Ökosysteme bei. Bei der städtischen Aquaponik gibt es keine Agrarabwässer, keine Stickstoffverluste wie in der herkömmlichen Bio-Produktion und in der konventionellen Landwirtschaft. Die Aquaponik ist ein ganz spezielles hochkomplexes Ineinander von Produktionsweisen. Ich denke diese spezielle Art bleibt bezogen auf die großen Mengenströme überschaubar, wenngleich wir als Know-how Träger ein sehr hohes Entwicklungspotential bei blün sehen und bereits umsetzen.

http://www.bluen.at

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https://www.greenrocket.com/bluen