Können wir unser Immunsystems mit der richtigen Ernährung stärken? Die Experten vom JEM (Journal für Ernährungsmedizin ) haben Antworten.

Eine gesunde Ernährung wird noch wichtiger als bisher. ©JEM – Journal für Ernährungsmedizin

Angesichts der Covid-19-Pandemie stellt sich zunehmend die Frage nach Faktoren eines optimal funktionierenden Immunsystems, unter anderem, welche Rolle die Ernährung hier hat. Dabei ist mit Ausnahme von Vitamin D kein einzelner Bestandteil von Nahrungsmitteln hervorzuheben.

Ein „gut ernährtes“ Immunsystem ist eine der Säulen einer gut funktionierenden Immunabwehr und das impliziert natürlich auch die Abwehr von Viren. Die Zusammensetzung der Ernährung beeinflusst den gesamten Stoffwechsel und damit auch die Immunzellen, kann deren Funktionalität fördern oder hemmen. Das zeigt sich am deutlichsten anhand von Extremen, bei Unterernährung, aber auch bei Überernährung. Unterernährung geht mit einer Suppression des Immunsystems einher, die zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern oder Autoimmunkrankheiten führt. Übergewicht und Adipositas gehen mit chronischen subklinischen Entzündungsprozessen einher, die das Risiko für Stoffwechsel- oder kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen, Autoimmunprozesse verstärken und die Immunabwehr schwächen können. 

So sind mangel- und fehlernährte Personen auch bei einer Covid-Erkrankung besonders gefährdet, ebenso wie Personen, deren Immunsystem durch Alter und Vorerkrankungen bereits geschwächt ist. „Ein guter Ernährungszustand der Patienten reduziert deutlich die Wahrscheinlichkeit, einen schweren Verlauf der Erkrankung durchzumachen, bleibende Folgeschäden zu entwickeln oder gar zu versterben“, betont der Ernährungsmediziner Univ.-Prof. Dr. Stephan C. Bischoff von der Universität Hohenheim (D), mahnt jedoch, nicht nur an ältere Menschen zu denken: „Fehl- und Mangelernährung sowie Übergewicht sind in unserer Gesellschaft auch bei Kindern ein durchaus präsentes Phänomen. Mit diesen Vorbelastungen steigt das Risiko für eine virale Lungenentzündung und einen lebensbedrohlichen Infektionsverlauf.“

In diesem Zusammenhang verweist der deutsche Ernährungsmediziner Univ.-Prof. Dr. Hans Konrad Biesalski auf die zunehmend kritische wirtschaftliche Situation vieler Familien: „In Deutschland zum Beispiel leben zwei Millionen Kinder in Armut – sie sind besonders von den derzeit steigenden Lebensmittelpreisen betroffen und es sind gravierende Auswirkungen auf ihre Entwicklung zu erwarten, wenn hier nicht gegengesteuert wird.“

Mikronährstoffe: Handlungsbedarf bei Mangel

Der Einfluss der Ernährung beziehungsweise einzelner Nährstoffe auf die Funktionalität des Immunsystems beschäftigt die Wissenschaft seit langem und es sind auch zahlreiche Studien dazu durchgeführt worden. In der Folge wird häufig eine ganze Reihe einzelner Vitamine und Mineralstoffe genannt, von denen eine besondere Rolle für die Funktionalität des Immunsystems zu erwarten sei. „Allerdings sind dabei noch viele Fragen offen“, betont Prof. Biesalski, „auch was die möglichen Folgen eines Überschusses von Mikronährstoffen betrifft, wissen wir noch relativ wenig. Man kann aber davon ausgehen, dass der menschliche Organismus hier für die meisten gute Pufferkapazitäten besitzt.“ Aber so wie eine einseitige Ernährung ungesund sein kann, kann eine Dysbalance bei Mikronährstoffen negative Auswirkungen mit sich bringen. Vitamin C zum Beispiel ist in hohen Dosen zwar nicht zwangsweise ein Verursacher von Nierensteinen, kann deren Bildung bei entsprechender Prädisposition aber auslösen. Bei Nierenfunktionsstörungen ist generell Zurückhaltung geboten.

Prof. Biesalski: „Ein Immunboosting mit Nahrungsergänzungsmitteln funktioniert nur dann, wenn ein Defizit vorliegt. Zusätzliche Vitamine und andere Mikronährstoffe können nur einen Mangel beheben, nicht mehr.“

Die These, dass eine Überdosis von Vitaminen einen besonderen Schutz darstelle, kann auch Prof. Bischoff nicht unterschreiben. „Es ist wichtig, Mikronährstoffdefizite zu verhindern und zu behandeln. Es gibt jedoch keine nachgewiesenen Beweise dafür, dass bei gut ernährten, gesunden Personen die routinemäßige Verwendung von Mikronährstoffen in hohen Dosen eine Infektion mit Covid-19 verhindern oder den Krankheitsverlauf verbessern kann.“, betont Prof. Bischoff. Anders sieht es bei Vorliegen eines Defizits aus: „Personen mit bekannter Fehl- und Mangelernährung oder einem Risiko dazu sollten sich dabei idealerweise von erfahrenen Ernährungsberatern oder -medizinern unterstützen lassen“, rät Prof. Bischoff. Diese könnten auch beurteilen, in wie weit eine Ergänzung der täglichen Ernährung mit Vitaminen und Mineralstoffen notwendig sei, um eine optimale Infektionsabwehr zu erreichen.

Die Ausnahme: Vitamin D

Vitamin D spielt eine zentrale Rolle im Immungeschehen, die meisten Immunzellen haben Rezeptoren dafür. Vitamin D nimmt unter den Nahrungsbestandteilen deshalb eine besondere Rolle ein, als bei relativ großen Bevölkerungsgruppen von einer unzureichenden Versorgung bzw. einem suboptimalen Spiegel auszugehen ist. Insbesondere nach den Wintermonaten sind Vitamin-D-Spiegel häufig zu niedrig, wobei die geografische Breite eine wesentliche Rolle spielt.

Zu den Risikogruppen zählen ältere Menschen, bei denen die Synthese des „Sonnenvitamins“ in der Haut nicht mehr so gut funktioniert, Personen, die sich kaum im Freien aufhalten (können) oder ihre Haut weitgehend verdecken. „Zudem stehen abgesehen von fettem Fisch praktisch keine Lebensmittel zur Verfügung, die nennenswerte Mengen liefern“, so Prof. Biesalski. Von Eigelb müssten zehn Stück am Tag verzehrt werden, um den Tagesbedarf zu decken. Älteren Menschen wird daher grundsätzlich eine Supplementierung mit 1000 Internationalen Einheiten (IE) pro Tag empfohlen.

„Es gibt einige sehr gute Studien, die zeigen, dass Vitamin-D-Mangel ein echter Risikofaktor für eine Covid-19-Erkrankung sein kann, vor allem bei Menschen mit hohem Blutdruck und Diabetes“, berichtet Prof. Biesalski. Hier sei eine Substitution von 1000 Einheiten pro Tag auch bei normalem Vitamin-D-Status  zu empfehlen. Dabei geht es nicht nur um Erkrankungen durch Covid-19, sondern generell um die optimale Funktion des Immunsystems und die Unterstützung zahlreicher weiterer Stoffwechselvorgänge.

Das Journal für Ernährungsmedizin – JEM – ist DIE ernährungsmedizinische Fachzeitschrift Österreichs. Wir bringen Up-to-date-Informationen für Ärzte, Diätologen und alle anderen in Gesundheitsberufen tätigen Experten.

Kurz gesagt

  • Eine gesunde Ernährung ist eine der Voraussetzungen für ein gut funktionierendes Immunsystem, zum Beispiel nach den zehn Regeln der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (www.oege.at). Gesunde Personen können damit ihren Bedarf an Nährstoffen decken.
  • Allerdings braucht das Immunsystem zahlreiche andere Faktoren wie körperliche Bewegung, konstruktiven Umgang mit Stress, optimale Behandlung chronischer Krankheiten, ausreichend Schlaf, Kontrolle von Nikotin- und Alkoholkonsum, um gut zu funktionieren.
  • Ältere und chronisch kranke Menschen haben ein erhöhtes Risiko für ein Defizit bei der Proteinaufnahme oder bei bestimmten Mikronährstoffen, die unter anderem für die Funktion des Immunsystems von Bedeutung sind. Im Gespräch mit Ärzten oder Diätologen kann geklärt werden, wie dies zu beheben ist.
  • Die vorübergehende ergänzende Aufnahme von Vitamin D in einer Menge von 1000 Einheiten pro Tag kann generell empfohlen werden. Ein eventuell höherer Bedarf bei Risikogruppen ist abzuklären.

 

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