Wie fair ist die EU-Richtlinie zu unfairen Handelspraktiken? Teil I
Sie blicken nicht mehr durch in dem ganzen agrarpolitischen Wirrwarr um die unfairen Handelspraktiken? Wir sorgen für Durchblick. Was bisher geschah . . .
Die Gepflogenheiten der Handelslandschaft sind nicht unbedingt die Sache der Bauern: Einseitig diktierte Qualitätsstandards, kurzfristige Stornos, Rücksendungen unverkaufter Frischware, Listungsgebühren oder Kostenbeteiligungen für Werbung. All das macht naturgemäß keinen Spaß und geht an die Substanz der elf Millionen landwirtschaftlichen Betriebe der EU. Geschätzte elf Milliarden Euro Schaden entstehen ihnen durch unfaire Handelspraktiken. Dazu kommen der enorm hohe Preisdruck bei Milchprodukten und das Fehlen von Russland als Absatzmarkt – die Einfuhr europäischer Lebensmittel wurde nach den EU-Sanktionen 2014 im Zuge der Ukraine-Krise verboten.
“Es ist inakzeptabel, dass ein Landwirt nur 20 Prozent des Verkaufspreises für ein Steak erhält.”
Der bäuerliche Lohn liegt derzeit bei nur vierzig Prozent des allgemeinen EU-Durchschnittes, so die Copa-Cogeca, der Verband europäischer Landwirte und Agro-Kooperativen. Die Landwirte sind den wirtschaftlich mächtigeren und konzentrierten Handelspartnern einfach nicht gewachsen – weder dem Lebensmitteleinzelhandel noch anderen großen Abnehmern. Was vom Wert eines Agrarprodukts beim Bauern bleibt, ist nicht viel. Mit 21 Prozent im Schnitt bezifferte es LK Österreich Präsident Hermann Schulte jüngst, 28 Prozent blieben in der Verarbeitung, 51 Prozent beim Handel. „Es ist inakzeptabel, dass ein Landwirt nur 20 Prozent des Verkaufspreises für ein Steak erhält. Schließlich ist er derjenige, der am meisten Arbeit in dieses Stück Fleisch gesteckt hat“, bringt es Copa-Cogeca Generalsekretär Pekka Pesonen auf den Punkt.
Sind die Diskonter das Problem?
Doch wo liegt das Problem genau? Bei den Diskontern? Nein, sagt Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (VP), bei den Eigenmarken der Handelsketten: „Sie sind extremem Dumping ausgesetzt, beginnen ihre Lebensmittel selbst zu produzieren, ohne Herkunftskennzeichnung, ohne dass der Erzeuger draufsteht, und das zu einem extrem günstigen Preis”. Die Folge sei ein im Wettbewerb chancenloser agrarischer Mittelbau. Unterschiedliche nationale Regeln in zwanzig EU-Staaten haben daran kaum etwas geändert, ebenso wenig wie die freiwillige Supply Chain Initiative (SCI) auf EU-Ebene. Viele wichtige Akteure sind dort nicht Mitglied und die Landwirte setzen wenig Vertrauen in die SCI. Dabei hat sie in den letzten zwei Jahren 40 Verstöße gegen ihren Leitfaden für die gute Praxis eingeklagt und 32 gelöst. Von daher war die Euphorie groß, als die EU Kommission im April 2018 Vorschläge für eine Richtlinie zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette vorlegte. Verspätete Zahlungen für verderbliche Waren, Auftragsstornierungen in letzter Minute, einseitige oder rückwirkende Vertragsänderungen und erzwungene Zahlungen des Lieferanten für die Verschwendung von Lebensmitteln – all das soll damit unterbunden werden. Nicht verkaufte Lebensmittel zurückschicken, Lieferanten für die Werbung oder die Vermarktung zahlen lassen: Das soll nur mehr gehen, wenn beide Partner sich im Vorfeld vertraglich einigen. Wer einen Verstoß begeht, muss mit „verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen” rechnen. Die Abstimmung im EU-Plenum am 25. Oktober brachte eine Zustimmung von über 70 Prozent für die Richtlinie. Das heißt, es gibt grünes Licht für die Verhandlungen.
Warum zwei Abänderungsanträge von deutschen Parlamentariern jetzt aber den „Feinkostladen Österreich“ gefährden sollen und NGOs, die Grünen sowie Vertreter des Handels dagegen Sturm laufen, lesen Sie hier!
https://cms.bauernladen.at/wie-fair-ist-die-eu-richtlinie-zu-unfairen-handelspraktiken-teil-2/