Wie fair ist die EU-Richtlinie zu unfairen Handelspraktiken? Teil II
Ist der „Feinkostladen Österreich“ tatsächlich bedroht? Stehen selbständige Kaufleute vor dem aus? Und kann der Handel künftig keine höheren Tierschutzstandards mehr einfordern, als gesetzlich vorgeschrieben?
„Die Richtlinie hat Stammtischniveau“, stellte Spar-Chef Gerhard Drexel kürzlich klar und sprach von einem „Verbot zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft“. Edeka-Vorstands-Vorsitzender Markus Mosa fürchtet um sein Geschäftsmodell, Greenpeace Österreich um den „Feinkostladen Österreich“. Und der grüne Europaparlamentarier Martin Häusling spricht von einer „vertanen Chance, das zweifelhafte Mandat des EU-Agrarausschusses zu unfairen Handelspraktiken aufzuhalten und zu verbessern.“ Was die Gemüter so in Wallung bringt? Allem voran zwei Abänderungsanträge, die von Vertretern der CDU/CSU im Agri-Ausschuss des EU-Parlaments eingebracht wurden.
Adieu Genossenschaften?
Der Abänderungsantrag mit der Nummer 360 verbietet Zusammenschlüsse von Einzel- und Großhandel zu Einkaufsgemeinschaften. Händler wie Spar, Edeka und Rewe, die mit selbstständigen Kaufleuten zusammenarbeiten, wären davon betroffen. Das erklärt Drexels Emotionen und Mosas Befürchtung. Der Handelsverband läuft dagegen Sturm. Damit torpediere man Franchise-Geschäftsmodelle im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und zerschlage funktionierende genossenschaftliche Strukturen. In der Lebensmittellieferkette führe das zu Ineffizienzen und höheren Verbraucherpreisen. 1.000 KMUs und gesamt 15.000 Arbeitsplätzen wären laut Geschäftsführer Rainer Will hierzulande betroffen. „Neben einem erheblichen Anstieg der Warenbezugskosten hätten die Kaufleute wie Adeg, Nah&Frisch, Spar und Co auch keine Werbeplattformen und Systemsynergien mehr“, sagt er. Es folge eine massive Konzentration im LEH, Orte ohne Nahversorger, Landflucht und weiteres Greisslersterben.
Aus für AMA?
Auch der Antrag 361 des Agrarsprechers der europäischen Volkspartei steht im Kreuzfeuer der Kritik. Handelskonzerne sollen keine Tierschutz- und Umweltschutzauflagen mehr bestimmen können, die strenger als die gesetzlich vorgeschriebenen sind. Will dazu: „Mehrwertprodukte wie Bio, MSC oder ‘ohne Gentechnik’, würden verboten, das AMA Gütesiegel de facto abgeschafft.“ Die Beruhigung des AMA-Marketing GF Michael Blass erfolgte allerdings umgehend: „Es besteht kein Grund zur Sorge, dass das AMA-Gütesiegel davon betroffen sein könnte.“ Greenpeace-Experte Sebastian Theissing-Matei hält den Antrag für „katastrophal“: „Gentechnikfreie Futtermittel, höhere Tierschutzstandards, Palmölfreiheit, geringere Pestizidrückstände – in all diesen Bereichen wäre es dem Handel künftig verboten, Initiativen zur Verbesserung zu setzen.“ Und was sagt die Landwirtschaftsministerin? Elisabeth Köstinger unterstützt das Vorhaben, eine Richtlinie zu diesem Thema zu erarbeiten, nicht aber die aktuelle Position des EU-Parlaments. Positionen würden aber verhandelt bis man einig sei.
Profitieren die Riesen?
Der europäische Handelsverband Eurocommerce kritisiert zwischenzeitlich, dass nach den Parlamentsplänen auch Agrarriesen und große Lebensmittelhersteller mehr Schutz genießen sollen. Die könnten mit Lieferstopp-Drohungen weiter ungerechtfertigte Preissteigerungen durchsetzen. Politiker Häusler meint dazu: „Wird der Vorschlag so akzeptiert, dann schützen wir in Zukunft große Konzerne wie Unilever, Nestlé oder Coca-Cola und geben ihnen ein einseitiges Klagerecht gegen den Handel in die Hand.“ Wie es weiter geht? In Brüssel stehen aktuell die interinstitutionellen Verhandlungen (Trilog) auf dem Programm, in Österreich wurde derweil ein unverbindlicher 34-seitiger “Fairnesskatalog” als Leitfaden für Unternehmen präsentiert.
Fortsetzung folgt . . .