Manches sieht die neue Regierung sehr eng. Die Sache mit dem Küken-Schreddern etwa. Nicht so klar deklariert man sich dagegen bei Spritzmitteln.

Wegweiser

Wo soll’s hingehen mit der Landwirtschaft? Die neue Regierung hat durchaus ambitionierte Ziele. ©Panthermedia

9,6 Millionen männliche Küken werden in Österreich jährlich gleich nach ihrer Geburt auf brutale Weise getötet. Sie werden geschreddert. Heimische Kälber werden sonder Zahl nach Südeuropa gekarrt, und dort unter schlimmsten Bedingungen aufgezogen. Ferkel werden ohne Betäubung kastriert. Die gute Nachricht:  All das soll bald passé sein. So will es das Regierungsprogramm von ÖVP & Grünen, das sich auf rund 22 Seiten mit Fragen zu Arten-, Natur- und Tierschutz beschäftigt. Einige der Bekenntnisse, die sich dort finden:

Qualpraktiken wie das Schreddern von Küken oder die betäubungslose Ferkelkastration sollen verboten, Tiertransporte minimiert und Vor-Ort-Schlachtungen gefördert werden.

Was kommt abseits dieser Verbesserungen im Tierwohl noch? Ein schrittweiser Ausstieg aus Gentechnikfuttermitteln, kombiniert mit der Strategie, Eiweißfuttermittel in Österreich anzubauen. Bis dieses Ziel erreicht ist, soll es eine klarere Kennzeichnung von Fleisch geben, das von Tieren stammt, die mit gentechnisch verändertem Sojaschrot gefüttert wurden. Das betrifft insbesondere die Schweinebranche, die sehr stark darauf setzt. Außerdem will man der Lebensmittelverschwendung entgegentreten. Hier werden insbesondere die Supermärkte viel stärker ins Visier genommen:

Der Einzelhandel darf künftig keine genusstauglichen Lebensmittel mehr wegschmeißen.

Orientiert hat man sich mit dieser Maßnahme an Frankreich. Dort müssen solche Waren schon seit 2016 gespendet werden, finden sich als Tiernahrung oder Kompost für die Landwirtschaft wieder. Abgesehen davon hat die Grande Nation Supermärkte mit einer Fläche von über 400 Quadratmetern verpflichtet, ein Abkommen für Lebensmittelspenden mit einer karitativen Organisation zu schließen, und in Schulen Unterricht gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in den Lehrplan aufgenommen. Wie genau die Umsetzung in Österreich erfolgen soll, ist noch nicht klar.

Ja zur Herkunftskennzeichnung, nein zu Mercosur

Gewidmet hat sich die neue Koalition zudem dem Kennzeichnungsdilemma und wagt nach 2017 jetzt einen zweiten Anlauf. Damals scheiterte die gute Sache bekanntlich an zu strengen Hürden. Von daher beschränkt man sich nun auf die verpflichtende Angabe der Herkunft nur bei den Primärzutaten Milch, Fleisch und Eiern – und zwar in der Gemeinschaftsverpflegung und beim Verkauf von verarbeiteten Lebensmitteln. Öffentlich Bedienstete werden in Kantinen künftig regionale und saisonale Gerichte auffinden.

In allen öffentlichen österreichischen Küchen soll es täglich einen Klimateller geben, bis 2030 soll der zu 55 Prozent Bio sein.

Direktvermarkter und Wirte sollen an einer freiwilligen Kennzeichnungs-Initiative mitmachen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Es gibt weiterhin keine Kennzeichnungspflicht in der Gastronomie. An den Regierungsparteien dürfte das aber nicht liegen. Denn sowohl Vertreter der Grünen als auch der ÖVP fordern ja seit Jahren auch in der Gastronomie eine Kennzeichnung. Ganz klar positioniert sich Türkis-Grün in Sachen Freihandelsabkommen mit einem deutlichen “Nein zu Mercosur.” Und kommt es zu anderen internationalen Handelsabkommen, so will man die “hohen europäischen Sozial- und Umweltstandards” verteidigen.

Stärkung der bäuerlichen Vermarktung und der Biolandwirtschaft

Gestärkt werden soll dagegen die bäuerliche Vermarktung. Unter anderem sollen Food-Coops gefördert und Kleinbetrieben das Leben leichter gemacht werden – etwa mit einer niedrigeren Lizenzgebühr für das AMA-Gütesiegel und “angepassten” Hygieneauflagen und Kontrollvorschriften bei der Schlachtung, Lagerung und Weiterverarbeitung. Details im Hinblick darauf finden sich allerdings noch nicht. Zudem will man die Kontingente für Saisonarbeiter saisonal anpassen. Und auch die Biolandwirtschaft ist Türkis-Grün ein Anliegen. Der nationale Bio-Aktionsplan soll ambitioniert weiter entwickelt werden, eine Forschungsoffensive im Bereich der Bio-Landwirtschaft Impulse setzen. Ein paar Zuckerl hat man auch noch im Gepäck: Beispielsweise die Anhebung der Umsatzgrenze für landwirtschaftliche Nebentätigkeiten auf 40.000 Euro, die Vereinfachung der bäuerlichen Sozialversicherung und eine Entlastung im Steuer- und Abgabenbereich. Die Buchführungsgrenze wird von 550.000 auf 700.000 Euro erhöht. Was die künftige gemeinsame Agrarpolitik (GAP) betrifft, so sollen 40 Prozent der GAP-Mittel zu einem verpflichtenden Umweltbeitrag werden. Auf EU-Ebene will sich Österreich für eine Förderobergrenze von 100.000 Euro pro Betrieb einsetzen.

Und was steht nicht im Regierungsprogramm?

Interessant ist allerdings auch, was sich nicht im Übereinkommen findet. Mit keinem Wort ist etwa die Glyphosat-Reduktion erwähnt. Ein Thema übrigens, das im letzten Koalitionsabkommen sehr wohl noch berücksichtigt wurde, sogar in Form von durchaus ehrgeizigen Zielen. Überhaupt hält man sich beim Thema Spritzmittel ziemlich bedeckt. Im O-Ton heißt es: “Zulassungen und Wiedergenehmigungen von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen auf EU-Ebene sollen weiterhin auf Grundlage fundierter wissenschaftlicher Studien stattfinden.”