Natur-nahe?
Warum die Schweine-Freilandhaltung gut ist, aber bis auf weiteres eine Nische bleiben wird und kleine Bestandsgrößen nicht immer mehr Tierwohl bedeuten.
Das Nutztier, das unter den schlimmsten Bedingungen leben muss, ist das Schwein. Das haben wir bereits thematisiert. Weil man es aber nicht oft genug wiederholen kann: 110-Kilo Exemplare werden in der Regel auf 0,7 Quadratmeter oder umgerechnet 90 Zentimeter gehalten, haben nichts, womit sie sich beschäftigen können und essen, schlafen koten an einem Platz. 95 Prozent der Schweine leben hierzulande so gehalten. Dass das mit Tierwohl nichts zu tun hat, versteht sich von selbst. Und bringt gleichzeitig eine nicht uninteressante Frage mit sich. Warum forcieren wir nicht einfach die biologische Freilandhaltung. Das wäre ja mit Sicherheit die beste Haltung für diese intelligenten Nutztiere. Ja, dieser Gedanke ist gut gemeint und liegt nahe, ist ökologisch aber bedenklich, sagt Johannes Baumgartner, Veterinär und Tierschutzexperte der Vetmeduni Vienna. Ganz abgesehen von den ökonomischen Grenzen. “Schweine als reinliche Tiere legen auf einer begrünten Fläche Kotplätze an, Nährstoffe werden dort massiv eingetragen, wo man sie nicht braucht. Um das Wachstum des Getreides anzuregen, wird auf der anderen Seite Handelsdünger benutzt. Zusammen ergibt sich daraus eine wenig sinnvolle Art der Landbewirtschaftung, falls nicht eine Fruchtfolge integriert ist.”
Dem Schwein geht’s gut, der Boden leidet
Leider hat sich’s damit noch nicht. Auch die österreichischen Böden und klimatischen Bedingungen sind ein Problem im Hinblick auf die Freilandschweinehaltung. Die braucht nämlich sandige Böden und wenig Niederschläge. Bei 1000 Millimeter Niederschlag, die der Boden nicht aufnimmt, leidet der Boden und bei längeren Schlechtwetterperioden auch die Tiere – Stichwort Gatsch. Dazu müssen die gesparten Stallbaukosten ins schwierige Management investiert werden und der Futterverbrauch pro Kilogramm Zuwachs des Tieres ist wesentlich höher als bei Stallhaltung – was unter anderem mit dem Klima und der höheren Bewegungsaktivität zu tun hat. Das Fazit von Baumgartner ist leider kein hoffnungsfrohes:
“Nicht einmal ein Anteil von zehn Prozent der Produktion könnte mit der Schweine-Freilandhaltung sichergestellt werden; ein bis zwei Prozent sehe ich für die Zukunft als realistisch. Insofern wird die Freilandschweinehaltung eine Nische bleiben.”
Bleibt noch die reine Bio-Haltung. Da sieht es immerhin in Sachen Platz mit gesamt 2,3 Quadratmeter etwas besser aus (1,3 Quadratmeter im Stall und ein Quadratmeter Auslauf). Dennoch werden beide Haltungsformen wohl nicht Mainstream-tauglich werden. Stellen wir uns also eine weitere Frage: Wären kleinere Bestandgrößen denn für die Schweinehaltung eine bessere Wahl? Seit Jahren lässt sich EU-weit ja ein Trend hin zu großen industriellen Betrieben nachvollziehen. Hierzulande ist unter aktuellen Gesichtspunkten ein Betrieb mit unter 50 Zuchtsauen oder weniger als 250 Mastplätzen als klein einzustufen, als groß mit 250 Zuchtsauen oder 2.000 Mastplätzen. Aufgrund des Preisdruckes sind bei Mainstreamvermarktungen aus ökonomischen Gründen heute mind. 150 Zuchtsauen pro Betrieb erforderlich, um nicht defizitär zu wirtschaften – was auch konsequenterweise zu den momentanen Zuständen in der Tierhaltung beiträgt. Baumgartner hält allerdings die Qualitätsfrage ohnehin für relevanter als die Größenfrage. Groß ist für ihn in Sachen Tierwohl nicht gleich schlecht. “In großen Beständen gibt es beispielsweise in der Regel ein ausgefeiltes, professionelles Management und eine ebensolche Betreuung. Das ergibt sich alleine daraus, weil viel Kapital am Spiel steht, sprich bei Fehlern große wirtschaftliche Verluste drohen.” Kleinere Einheiten seien fehlertoleranter. “Diese Toleranz wird zum Leidwesen der Tiere auch manchmal ausgeschöpft, die Ursachen und Folgewirkungen – weil sie nicht derart gravierend sind – nicht behoben. Die kolportierte “Small is beautiful”-Qualität ist als Generalmotto ist also durchaus hinterfragenswert.”
Österreich wird nicht die USA werden
Die Bestandsgrößen hierzulande werden aber sowieso nicht ins unendliche wachsen: “Wir werden einen Plafond erreichen, das ergibt sich alleine aus der geografischen Situation. Im Übrigen handelt es sich dabei um eine politische Frage, weil damit ökologische Probleme einhergehen – Stichwort Gülle und Geruchsemmissionen: in welcher Form werden die Ausscheidungen verteilt? Es wird Weichenstellungen brauchen. Dass es zu unbegrenztem Wachstum und US-amerikanischen Verhältnissen kommt, davon gehe ich aber nicht aus.” Im Klaren müsse man sich aber darüber sein, dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Betriebe auch über größere Einheiten laufen. “Wird die Bremse allzu streng angezogen, wird der Wettbewerbsdruck noch mehr Betriebe abwerfen und damit hängt eine Fülle von Folgewirkungen zusammen: die Abwanderung der Produktion und der Wertschöpfung ins Ausland, landschaftliche und soziale Veränderungen im ländlichen Raum. Werden rigorose Maßnahmen gefordert, muss man auch wissen, was auf dem Spiel steht.” Sind wir damit am Ende oder gibt es noch weitere Chancen, das Schweineleben ein kleines bisschen besser zu machen? Diese Frage klären wir unter anderem in den kommenden Tagen mit Bio Austria NÖ und Wien Obmann Otto Gasselich. Bleiben Sie dran! Wir tun es auch.
Das Platzangebot im Bio und Bio-Freilandbereich
Bio-Richtlinien Platzangebot: Für ein Mastschwein (bis zu 110 kg) steht eine Fläche von 1,3 Quadratmeter im Stall und ein Quadratmeter Auslauf (entspricht ca. der 2-3 fache Fläche von konventionellen Betrieben) zur Verfügung, was dennoch lediglich eine verfügbare Gesamtfläche von 2,3 Quadratmeter pro Schwein ergibt.
Platzangebot für Freilandschweine: Wer als Freiland-Schwein lebt, der hat wesentlich mehr Auslauf. 7,14 Ar sind es pro Schwein, wobei ein Ar 100 Quadratmeter entspricht. Außerdem wird eine jährliche Flächenrotation durchführt- die braucht es wegen den Parasiten. Daher muss der Betrieb daher nicht nur über genügend geeignete Fläche verfügen (14 Schweine/Hektar), sondern die Fläche sollte auch nur ca. sechs Monate bis maximal ein Jahr durchgehend belegt sein.