Mehr als ein Schnitzel am Teller
Wir haben keine Beziehung zu Schweinen, sie sind anonym und daher nur ein Stück Fleisch. Warum das so ist, und ob Gunda (der Film) das ändern kann?
Wieso sind uns Haustiere lieb und teuer, dürfen Nutztiere für billiges Fleisch aber leiden? Diese Frage ist nur eine, die der Dokumentarfilm Gunda von Viktor Kossakovsky in uns auslöst. Julia Gutjahr, Soziologin an der Universität Hamburg, sagt, es gibt eine neue Sensibilität für das Schicksal von Tieren, aber eben nicht von jedem Tier. Diese Empathie bleibt “hochgradig selektiv und ambivalent”. Psychologin Tamara Pfeiler kennt diese Ambivalenz auch. “In unserer Gesellschaft sind Tiere in ‘essbar’ und ‘nicht essbar’ unterteilt.” Den Grundstein dafür hat die Industrialisierung gelegt. Davor gab es diese Unterscheidung zwischen Haus- und Nutztieren nicht. Erst als die Menschen Städte bevölkerten, fing es an, dass sie mit Haus-Tieren unter einem Dach lebten, die später zu Familienmitgliedern wurden.
“Lebewesen, denen wir nicht lebend begegnen, dazu haben wir keinen Bezug!”
Daraus erklärt sich auch, warum Nutztiere unser Herz so selten erobern. Die Antwort ist eigentlich einfach und liegt auf der Hand, sagt Ernährungspsychologe Christoph Klotter: “Wir begegnen ihnen nicht lebend.” Anonyme Schweine haben damit nicht die geringste Chance gegen Hund und Katze. Eben mit diesem Fakt arbeitet Kossakovsky. Gunda ist eine Muttersau und die Hauptdarstellerin seines Films. Sie lebt irgendwo mit ihren Ferkeln, Hühnern und Rindern auf einem nachhaltig geführten Bauernhof in Norwegen. Der Schauplatz ist aber unwichtig.
Emotion durch Ästhetik
Nun sind es aber nicht die gewohnten schrecklichen Bilder der Lebensmittelindustrie, die für Gewissensbisse sorgen. Kossakovsky zeigt uns intime Tierporträts die zu Herzen gehen, eine schwarz-weiß Verfilmung ganz ohne erklärende Worte eines Sprechers. Kein Mensch tritt ins Bild. Eine Handlung gibt es scheinbar nicht. Dennoch kennen wir das Ende. Kameraführung und Perspektive bringen uns die Tiere am Bauerhof eindrücklich näher. Der Film ist reines Sehen, zu dem wir gezwungen werden. Durch die beeindruckenden Groß- und Nahaufnahmen, durch die auf über Minuten gehaltenen Stills. Diese bringen jedes Detail ans Licht. Jedes noch so feine Fältchen auf der Schweinehaut, jedes noch so feines Härchen, jede Wimper. Close-ups zwingen uns zum Verharren. Tiere werden zu Individuen. Gunda sieht dich an und das trifft dich mitten im Herz.
Schweine haben Charakter und Gefühle
Die Kamera wird zum magischen Auge, wir sehen mehr als nur die Tiere. Wir sehen ihre Reaktion auf Ereignisse – Vergnügen und Freude, Neugierde, Stolz, aber auch Angst und Verzweiflung. Wir sehen Geschöpfe mit eigener Wahrnehmung, eigenem Empfinden, eigenem Charakter und eigenen Gewohnheiten. Spätestens jetzt fängt man über das Recht auf Leben von Tieren, die wir ansonsten nur als Nutztiere wahrnehmen nachzudenken. Es kann natürlich passieren, dass Gunda uns zu Vegetariern macht oder uns zumindest für den Moment die Lust auf ein saftiges Stück Fleisch vergält. Davon verzehren wir aber ohnehin viel zu viel. Auf einen österreichischen Kopf kommen rund 66 kg im Jahr, ca. 39 kg sind Schweinefleisch.
Tierwohl ja … aber
Ihnen liegt Tierschutz am Herzen? Und Sie greifen trotzdem immer noch zu billigen Fleisch aus Massentierhaltung. Ganz ehrlich: Das ist paradox. Schweinefleisch aus artgerechter Haltung bewusst genießen ist unser Ansatz. Landwirte auf Bauernladen.at ermöglichen den Tieren ein stressfreies und artgerechtes Leben, denn sie sind Teil kleiner Kreislaufwirtschaften. In den flächengebundenen Landwirtschaften werden nur so viele Tiere gehalten, wie man auf eigenen Feldern selbst ernähren kann. Futtermittel dürfen nur begrenzt zugekauft werden. Das ist eine Bewirtschaftung ganz im Sinne von Umweltschutz und Klimawandel die natürlich auch das Tierwohl im Auge behält. Und wer es ganz genau wissen will, dem empfehlen wir einen Ausflug und den Besuch am Bauernhof.