Auf dem Podest: Die Pinzgauer Ziege
Der Verein “Arche Austria” kürte die fast ausgestorbene Pinzgauerziege zum Nutztier des Jahres 2019. Gerettet hat sie die Ansiedlung auf einer Mülldeponie.
Sie ist der extremste Klettermax unter den Ziegen und stammt in ihrer Wildform von der Bezoarziege, der Urziege, ab: Die Pinzgauerziege, die nomen est omen aus dem Salzburger Pinzgau stammt und fast schon ausgestorben wäre. Gefährlich geworden ist ihr die rasche Intensivierung der Landwirtschaft, die ihr noch immer zu schaffen macht. Aber immerhin tummeln sich mittlerweile wieder 1.080 Vertreter dieser Rasse in heimischen Gefilden. Doch was ist an ihr so besonders, dass sie jetzt sogar den Titel “Nutztier des Jahres” tragen darf? Sie hält gern Blickkontakt mit Menschen – schaut Einem immer in die Augen, hat einen außerordentlich starken Charakter, ist liebenswürdig und produziert selbst unter kargen Bedingungen hochwertige Lebensmittel. Es heißt, wer sich auf sie einlässt und sich mit ihnen beschäftigt, wird von diesen außergewöhnlichen Tieren fasziniert sein und nur schwer von ihnen loskommen.
(Über)Lebensraum Müllhalde
Das bestätigen auch die Mitarbeiter der Wiener MA48, die nicht nur ganz angetan von den Tieren sind, sondern auch mitverantwortlich dafür, dass das Aussterben gerade eben noch abgewendet werden konnte. Ja, Sie lesen richtig: Anfang der 1990er Jahre wurden auf der Mülldeponie am Wiener Rautenweg Pinzgauerziegen angesiedelt. Und das kam so: Auf der einen Seite dachte man damals bei der MA48 darüber nach, die immer größer werdenden Grünflächen auf der Deponie mittels “natürlichen Rasenmähern” im Bewuchs niedrig zu halten, auf der anderen Seite standen nur mehr knapp 200 Exemplare der Pinzgauer Bergziege. Also siedelte man sie kurzerhand am Rautenweg an, der aufgrund der steppenartigen Beschaffenheit für viele Pflanzen, Säugetiere, Vögel und Insekten einen einzigartigen Lebensraum bietet. Inzwischen wurden auf der Deponie über 100 Kitze geboren, die später wieder im Salzburger Hochgebirge ausgesiedelt werden.
Dort schätzt man sie mittlerweile wieder. Denn die Pinzgauerziege ist vorsichtig, robust und widerstandsfähig. Wind und Wetter machen ihr nichts aus. Und: Sie ist auf Weiden und Almen besonders standorttreu. Für Bergbauern, die sie bis auf 2.500 Meter Seehöhe halten, ist das wichtig. Der Fachbegriff dafür ist “Almtüchtig”. Und tüchtig sind diese Ziegen tatsächlich. Sie pflegen nicht nur die Landschaft, sondern geben auch Milch – 570 bis 680 kg, das ist für eine Hochgebirgsziege eine wirklich hohe Milchleistung.
570 bis 680 kg Milch gibt die Pinzgauer Ziege – das ist für eine Hochgebirgsziege eine wirklich hohe Milchleistung.
Ihr Fleisch ist qualitativ hochwertig und Rinder müssen ihre Konkurrenz nicht fürchten. Denn die Pinzgauer Bergziege hat es nicht so mit Gräsern. Blätter, Rinde, Triebe und Farne sind ihr lieber. Besonders munden ihr Enzian, Zwergwacholder, Alpenrosen, Alpenkratzdisteln und die Blätter von Brombeere und Himbeere.
Wie erkenne ich die Pinzgauer Bergziege?
Wenn Sie im Pinzgau oder am Wiener Rautenweg unterwegs sind, dann achten Sie auf Ziegen mit mittellangem kastanienbraunem Haarkleid, das als Einzelhaar dreifärbig ist. Den Rücken ziert ein schwarzer Aalstrich, der Kopf trägt eine schwarze Maske und die Beine sind ebenfalls schwarz. Böcke erreichen eine Widerristhöhe von 90 cm und haben eine schwarze Brust, die bei Jungtieren und weiblichen Tieren schwarz-braun gestichelt ist. Pinzgauerziegen tragen immer Hörner, die bei Böcken, die gut und gern 100 Kilo und darüber wiegen, bis 120 cm lang werden können. Jetzt haben Sie Angst? Müssen sie nicht. Die Böcke sehr gutmütig, es sei denn, es geht um Rangkämpfe. Da geht die Kampfeslust dann mit ihnen durch. In Sachen Rangordnung stehen Geißen, die 80 cm Widerristhöhe und 65 Kilo erreichen, den Böcken übrigens in nichts nach. Auch bei ihnen wird sie verteidigt, was das Zeug hält. Uns sonst? Hat man Familiensinn, scharrt gern den Liegeplatz frei, versteckt die Kitze nach der Geburt und wandert, bevorzugt pünktlich. Jetzt sind auch Sie verliebt in die Klettermaxe und wollen zu ihrem Erhalt beitragen? Das können Sie. Beispielsweise, in dem Sie beim nächsten Käsekauf zum Pinzgauer Almkäse greifen, auch Bierkas genannt. Für diesen sehr traditionellen Käse wird nämlich die Milch der Pinzgauerziegen mit entrahmter Kuhmilch vermischt. Das nennt man dann wohl eine klassische Win-Win Situation.