Im Siegel-Dschungel Teil IV
Was sagt das österreichische “Ohne Gentechnik hergestellt”-Siegel aus? Und kann heimisches Fleisch aus Schweinen, die genetisch manipuliertes Soja fressen, es tragen?
Kommen “clean” gefütterte Schweine? Das haben wir an dieser Stelle letzten Februar gefragt. Da hatte die Schweinemastbranche signalisiert, ja, man könne sich eine Gentechnik-freie Fütterung vorstellen. Getan hat sich seither? Richtig, nichts. Sieht man einmal davon ab, dass die selbe Branche am siebenten November erneut wissen ließ, man sei ja grundsätzlich aufgeschlossen. Nur sei das heimische Soja eben um 30 Prozent teurer, der Konsument aber nicht bereit, mehr für sein Schweinsripperl zu bezahlen. Das Thema erneut auf den Tisch gelegt wurde freilich nicht ohne Grund. Denn ein Greenpeace Marktcheck in heimischen Supermärkten hatte just zum selben Zeitpunkt gezeigt, dass in den dort verkauften Schweinskoteletts & Co zu 90 Prozent Gentechnik steckt – übrigens leider auch noch immer in Produkten, die das AMA-Gütesiegel tragen.
Die ARGE Gentechnik-frei vergibt dieses Siegel. Es soll eine eindeutige Information für den Konsumenten sein: Lebensmittel, die dieses Zeichen führen, sind mit Sicherheit ohne Gentechnik hergestellt. Die dafür geltenden Produktionskriterien werden regelmäßig von einer unabhängigen Kontrollstelle überprüft – der Name bzw. die Kontrollnummer der überprüfenden Kontrollstelle werden am Etikett angeführt. Mehr als 3.500 Lebensmittel sind mittlerweile bereits mit dem Kontrollzeichen “Ohne Gentechnik hergestellt” ausgelobt – Tendenz rasch steigend.
Dazu muss man wissen: Derzeit werden in Österreich jährlich fünf Millionen Schweine geschlachtet, die etwa 350.000 Tonnen genmanipuliertes Soja fressen, das meist aus Übersee kommt. Dabei sind 650.000 Tonnen zertifiziertes Donau Soja und Europe Soja am Markt verfügbar. Möglich wäre die flächendeckende Versorgung mit gentechnikfreiem und regionalem Soja wäre also. Extra vermerkt werden muss die Fütterung von gentechnisch verändertem Soja am Produkt übrigens nicht. Sie fällt nicht unter die Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung. Wie können Sie nun aber sicher gehen, gentechnikfreie Lebensmittel zu erhalten? Was Pflanzen betrifft, so ist das Anbauverbot gentechnischer veränderter Sorten seit 2015 in der österreichischen Verfassung verankert. Bei tierischen Produkten könnten Sie zu heimischer Milch, zu Eiern, oder Hühnerfleisch greifen. Denn die Produzenten hinter diesen Produkten arbeiten bereits komplett gentechnikfrei. Das erste große österreichische Unternehmen, das einen Teil ihrer Produktion auf Gentechnik-frei umstellte war 2003 übrigens die Tirolmilch. Sowieso sicher Gentechnik-frei sind Bio-Produkte. Und solche, die das grün-weiße “Ohne Gentechnik hergestellt”-Siegel tragen. Bei letzteren kann es aber analog zur EU-Bioverordnung aber Ausnahmen geben. Und zwar bei Lebensmittelzusatzstoffen, Verarbeitungshilfsstoffen, Aromen, Enzymen und Vitaminen. Wenn sie nachweislich nicht kontinuierlich in Gentechnik-freier Qualität verfügbar sind, aber für die Produktion verwendet werden müssen, kann das Gesundheitsministerium Ausnahmen beschließen. Sehr warscheinlich ist das aber nicht. Wie viele Produkte tragen das “Ohne Gentechnik hergestellt”-Siegel? Aktuell 3.500. Konrolle. Die dafür geltenden Produktionskriterien werden regelmäßig von einer unabhängigen Kontrollstelle überprüft – ihr Name findet sich am Etikett. Vergeben wird das Zeichen vom Verein „Arbeitsgemeinschaft für Gentechnik-frei erzeugte Lebensmittel“ (ARGE Gentechnik-frei), der 1997 gegründet wurde. Dahinter steckt eine unabhängige Plattform von Mitgliedern aus dem Lebensmittelhandel, der Lebensmittelproduktion und der Futtermittelproduktion sowie von Organisationen aus den Bereichen Umweltschutz, Konsumentenschutz und Bauernvertretungen. Sie hat das Ziel, die Gentechnik-freie Produktion in Österreich zu ermöglichen, zu fördern und zu unterstützen.
Kleiner Exkurs in die Gentechnik-Geschichte
Doch wie begann das eigentlich alles? Im August 1996 lief das erste Schiff mit gentechnisch verändertem Soja aus den USA den Hamburger Hafen an, um die neue US-Technologie auch in Europa zu verbreiten. Die noch sehr junge Disziplin der Gentechniksollte damals nach dem Willen der großen US-Unternehmen rasch auch in Europa den Durchbruch erzielen. Aber, weit gefehlt: Im Großteil Europas gab man sich skeptisch; speziell in Österreich formierte sich sogar eine hartnäckige Ablehnung gegen den Einsatz der Gentechnik in Land- und Lebensmittelwirtschaft. Das Gentechnik-Volksbegehren mit 1,23 Mio. Stimmen setzte ein klares Zeichen.
Der Greenpeace-Storecheck “Schweinefleisch”
Schweinefleisch macht in Österreich 60 Prozent des konsumierten Fleisches aus. Ein Greenpeace Storecheck Anfang November zeigte allerdings, dass in rund 90 Prozent des österreichischen Schweinefleischs Gentechnik steckt. Gekennzeichnet muss die Fütterung von Gensoja nicht werden.
- Billa, Unimarkt und Penny haben gar kein gentechnikfreies Schweine-Fleisch im Sortiment. Sie wurden von Greenpeace auf den letzten Plätzen des Schweinefleisch-Marktchecks gereiht.
- Den ersten Platz belegen ex aequo Hofer, Interspar und Merkur mit “Befriedigend”.
- Punkte konnten in den Kategorien “vorbildliche Projekte”, “Herkunft und Kennzeichnung des Fleisches”, “biologische Artikel” und “gentechnikfreie Artikel” gesammelt werden.
Daraus entstand unter anderem die ARGE Gentechnik-frei, die neben der Vergabe des Siegels auch Lobbyarbeit zur Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen betreibt. Gibt es auch in anderen EU-Ländern Gentechnik-frei Labels? Ja. Das österreichische System hebt sich von den anderen allerdings durch die verpflichtenden Kontrollen und auch durch akkreditierte externe Kontrollstellen ab. Die Experten der ARGE Gentechnik-frei plädieren für eine europäische Harmonisierung in der Kennzeichnung. Und um unsere Eingangsfrage zu beantworten. Nein, Produkte aus Schweinen, denen gentechnisch verändertes Soja gefüttert wurde, dürfen das Siegel nicht tragen.
Wir wollen wissen, wo es herkommt!
Bauernladen.at-Check: Das “Ohne Gentechnik hergestellt”-Siegel
✔ Lebensmittel dürfen nicht aus gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) bestehen/sie enthalten.
✔ Futtermittel für die Herstellung tierischer Produkte dürfen nicht aus GVOs bestehen/sie enthalten
✔ Zusatzstoffe (Vitamine, Enzyme, Aromastoffe) müssen ohne gentechnischen Verfahren produziert sein.
✔ Auch Saatgut, Pflanzenschutzmittel, Düngemittel und Bodenverbesserer müssen Gentechnik-frei sein
✔ bei Tierfütterung müssen Übergangszeiten eingehalten werden, bevor die Produkte (Fleisch, Eier, Milch) als “Ohne Gentechnik hergestellt” ausgelobt werden dürfen.
✔ Es gibt unabhängige, externe Kontrollstellen.
✗ Bei Zutaten wie Lebensmittelzusatzstoffen, Verarbeitungshilfsstoffen, Aromen, Enzymen und Vitaminen- können analog zur EU-Bio-Verordnung – Ausnahmeregelungen beschlossen werden, wenn sie nachweislich nicht kontinuierlich in Gentechnik-freier Qualität verfügbar sind, aber für die Produktion verwendet werden müssen.