Der Bestand der Feldlerchen hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert. Anderen Arten geht es noch schlechter. Über das dramatische Vogelsterben im Agrarland.

Ein Lerchen-Jungvogel auf dem Feld. Der Bestand hat sich seit 1998 um die Hälfte reduziert. ©Michael Dvorak

Sie kommt gerade aus dem Winterquartier zurück, um im Agrarland zu brüten und weiß vermutlich noch nichts von der Ehre, der “Vogel des Jahres 2019” zu sein: Die Feldlerche (Alauda arvensis). Zu dem Titel kam sie allerdings nicht ohne Grund. Die NGO BirdLife Österreich hat ihn vergeben, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich der Bestand dramatisch reduziert hat. 75.000 Paare erwartet man heuer, um fast die Hälfte (49 Prozent) mehr sind es 1998 noch gewesen. Woher man das weiß? Aus dem jährlichem Monitoring der Vogelschutzorganisation. Und das zeigt noch etwas: Das Vogelsterben auf Feld und Wiese ist keine Utopie mehr, es ist längst Realität. Um 42 Prozent ist der gesamte Bestand in den letzten 20 Jahren zurück gegangen. Woran das liegt? An der zunehmend industrialisierten Bewirtschaftung der offenen Kulturlandschaft. Was die Feldlerche betrifft, so sagt Birdlife-Geschäftsführer Gábor Wichmann “Ihr Gesang ist regelrecht verstummt.”

300 Millionen Agrarvögel weniger EU-weit

Wichmann ist Ornithologe und weiß, wovon er spricht. Die Abnahme der Biodiversität, sagt er, ist ein Faktum. Zur Gefährdung der Vogelwelt würden insbesondere die immer größeren Maschinen der Landwirte, der Pestizid-Einsatz und die Zerstörung von Lebensräumen beitragen. BirdLife erstellt für das Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus den so genannten Farmland Bird Index – das ist der offizielle Indikator zur Begleitung und Evaluierung der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP. Darin werden jährlich die Bestandsveränderungen von 22 Vogelarten untersucht, die für das agrarisch genutzte Kulturland typisch sind.  Und der bestätigt die alarmierenden Verluste. In den letzten zwei Jahrzehnten, sind auf Wien und Feldern mehr als zwei von fünf Vögeln verschwunden. Das betrifft freilich nicht nur Österreich. EU-weit gibt es bereits ganze 300 Millionen Agrarlandvögel weniger.

Die Lerche ist nicht der größte Pechvogel

Die Feldlerche steht als Jahresvogel aber leider nur stellvertretend für viele andere Feldvögel, denen es teils noch schlechter geht. Am schlimmsten trifft es den Girlitz mit minus 83 Prozent und das Rebhuhn mit minus 81 Prozent. Es folgen Bluthänfling (52 Prozent weniger), Braunkehlchen (48 Prozent weniger) und Kiebitz (37 Prozent weniger). Maschinelles Bewirtschaften, das bedeutet vier bis fünf Mahden im Grünland pro Saison. Für die Vögel wird damit das Fenster für eine erfolgreiche Brutaufzucht zu kurz.

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Einer der größten Pechvögel: Der Bestand der Rebhühner ging um 81 Prozent zurück. ©Michael Dvorak

Oft werden die Bruten dann einfach zuerstört. „Bei Bodenbrütern kommt es so zu 100-prozentigen Ausfällen der Erstgelege im April“, erläutert Wichmann. Und fügt hinzu: „Wo durch Störungen des Lebensraums der notwendige Bruterfolg über Jahre hinweg fehlt, erlöschen die Populationen.“ Dann gibt es noch das Problem der starken Düngungen.  Die führen zu dichter, einförmiger Vegetation, die kaum durchdringbar ist und zu wenig Nahrung bietet. Auch ein Kernproblem der Feldvögel übrigens. Wo mehr Pestizide versprüht werden, gehen die Insekten und Gliederfüßer verloren, die es für eine erfolgreiche Jungenaufzucht braucht. „Wo keine Insekten mehr sind, verhungern auch die Vögel“, bringt es der Experte auf den Punkt.

Wichmann gibt dabei aber nicht den Landwirten alleine die Schuld an der Situation. Die sind nämlich oft durchaus bereit, ihren Beitrag zur Arterhaltung zu leisten.

Artenschutzprogramme geben Hoffnung

Das zeigt etwa ein Heidelerchen-Projekt, das die Vogelschutzorganisation derzeit mit dem Naturpark Mühlviertel umsetzt. Nur mehr 20 bis 40 Brutpaare davon leben in Oberösterreich. Um die Population zu stärken und ihren Bestandsrückgang aufzuhalten, gilt es, wichtige Lebensräume wie Feld- und Wiesenraine, Böschungen, magere Wiesenränder sowie Einzelbüsche zu erhalten.

Maximal 40 Heidelerche-Brutpaare gibt es in Oberösterreich noch. Ein Arterhaltungsprojekt soll sie retten. ©Otto Samwald

„Wir konnten Verträge mit vierzehn landwirtschaftlichen Betrieben schließen, die 82 Prozent der Dauerreviere der Heidelerche umfassen. Mit dem Ergebnis, dass der Brutbestand der Heidelerche nicht weiter sinkt, sondern sich stabilisiert hat!“, freut sich Wichmann. 42 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche sind so für die Heidelerche gesichert, doch: „Im Kleinen zeigt sich, was im Großen möglich ist.“ Zu spät ist es noch nicht, sagt der Ornithologe. Auch das Sterben der Feldlerche könne noch verhindert werden: “Wenn wir Maßnahmen wie das Anlegen von Rainen oder von sogenannten Lerchenfenstern fördern.” Wie das geht? Nur durch eine verbesserte Zusammenarbeit von Landwirten und Naturschützern, sagt er. Viele Landwirte würden wollen, die Politik aber müsse aber den notwendigen Rahmen geben.

Die gute Nachricht am Ende

Und da tut sich etwas in der Politik. „Erstmals sieht es so aus, als würden die Agrarumweltmaßnahmen Öpul zumindest im Ackerland greifen. Der Farmland Bird Index scheint sich auf sehr niedrigem Niveau zu stabilisieren”, resümiert Wichmann, der es allerdings als Aufgabe der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik GAP sieht, ein ambitioniertes Programm zum Schutze der Feldvögel zu entwickeln. Die jüngste Stellungnahme des Umweltausschusses des EU-Parlaments zur GAP, eine Zweckwidmung von 15 Milliarden Euro jährlich für Biodiversität einzurichten, sei erfreulich. Und das bayrische Volksbegehren „Artenvielfalt“ mit einer Beteiligung von 18,4 Prozent eine umweltpolitische Sensation –  ganz im Sinne der Wiesen- und Feldvögel, versteht sich.

https://www.birdlife.at/page/monitoring