Die heimischen Erdäpfel-Bauern protestierten. Aufgrund des Klimawandels und beschränkter Spritzmittel gäbe es erstmal keine ganzjährige Versorgung damit.

Rund 120 Bauern sowie Agrarvertreter fanden sich heute am Heldenplatz in Wien ein. © NÖ Bauernbund/Erich Marschik

Heute früh fuhren sie mit Traktoren und Anhängern beladen mit Erdäpfeln auf dem Heldenplatz auf, vor der Staatsoper und der Wiener Universität: 120 Erdäpfelbauern. Zweck des Ganzen war es, dem urbanen Konsumenten ein Dilemma nahezubringen. Im Falle der Erdäpfelbauern ist das einerseits die Angst um die eigene Existenz, andererseits wollte man der Bevölkerung mit der Verteilung der “Letzten ihrer Art” zeigen, dass die österreichischen Erdäpfellager früher als üblich geleert sind und es erstmals keine durchgängige Versorgung damit gibt. Das tat man schon in den letzten Wochen immer wieder kund und krönte die Sache jetzt mit dem so genannten “Aktionstag für gesunde Lebensmittel”, veranstaltet vom NÖ Bauernbund und Interessensgemeinschaft Erdäpfelanbau (IGE). 697.900 Tonnen Erdäpfeln wurden 2018 geerntet, sagt die Statistik Austria. Eigentlich ist das ein Plus von sieben Prozent gegenüber 2017. Aber 130.000 Tonnen waren unbrauchbar oder fanden nur in der Stärkeindustrie Verwendung. Mit denen hätte man 2,4 Millionen Menschen ein Jahr versorgen können, sagen die Erdäpfelbauern. Schuld war allem voran der Drahtwurm. Der daraus resultierende Umsatzverlust betrug 40 Millionen Euro. Und jetzt sei er eben da, der Engpass im Lebensmittelhandel und die Gefahr der Abhängigkeit aus dem Ausland.

Gibt es eigentlich ein Recht auf Erdäpfel  von Jänner bis Dezember?

Hitze, Trockenheit und Drahtwurmbefall: Die drei Plagen, mit denen das Jahr 2018 aufwartete, waren tatsächlich nicht ohne. Dazu ist der beschränkte Einsatz von Spritzmittel gekommen. Weil  spätestens Anfang Mai die Vorräte zu Ende gehen – kämen jetzt Erdäpfel aus Ägypten, Frankreich und Zypern in die Regale. Und da würden teils Pflanzenschutzmittel eingesetzt, die hierzulande schon lange verboten sind. “Wir wollen sagen, dass wir ohne sinnvollen Pflanzenschutz die Versorgung nicht mehr sicherstellen können”, so Franz Wanzenböck, Obmann der IGE. Doch wie wichtig ist eigentlich die ganzjährige Versorgung mit einem Lebensmittel wie Erdäpfeln wirklich? Food-Journalistin und Kochbuch-Autorin Katharina Seiser hat dazu eine ganz klare Meinung. Für sie ist der sogenannte “Engpass” ein hervorragendes Beispiel dafür, dass kein einziges frisches Lebensmittel, das in einem gewissen Zeitraum geerntet wird und naturgemäß nicht ewig haltbar ist, während des gesamten restlichen Jahres verfügbar sein muss. “Man sollte die Pestizid-Kirche im Dorf  lassen, lieber über das Problem Monokulturen und extrem spezialisierte Landwirtschaft sprechen, über Maßnahmen zum Klimaschutz und von April bis Juli einfach was anderes essen.” Ja, Erddäpfel würden gut schmecken und vielseitig sein, aber das seien andere stärkehaltige Grundnahrungsmittel auch. Den Konsumenten rät sie “Sich besser um ihre Ernährung zu kümmern, anstatt die Verantwortung dafür leichtfertig der Industrie und dem Handel zu überlassen – und die saisonale Vielfalt vor der Haustür zu nützen. Rezepte gibt’s genug.”

Bienenforscher Kromp ist gegen mehr Chemie

IGE-Obamann Wanzenböck bleibt derweil auf dem Thema Spritzmittel drauf. Im Zulassungsprozess, sagt er, dürften nicht nur potenzielle Gefahren wie eine Bienengefährlichkeit gesehen werden. Auch das Risiko, “das gleich Null ist”, müsse mitbewertet werden. Bienenforscher Bernhard Kromp hält mehr Chemie nicht für die richtige Lösung, wie er im Ö1-Mittagsjournal betonte. Er plädiert für weniger gravierende Eingriffe. Die Ausbreitung des Drahtwurms könne auch über die Fruchtfolge verhindert werden und es gäbe einen Bodenpilz, der den Drahtwurm infiziert und verdaut. Für den gäbe es bereits ein für den Bio-Anbau zugelassenes Pilzbekämpfungsmittel. In Sachen Pflanzenschutzmittel  gibt es bereits Notfallzulassungen für 2019. Verwendet werden dürfen vier Präparate – das bienengefährliche Mocap, Belem, Force und Attracap. Letzteres ist auch im Bioanbau erlaubt.  Der IGE ist das zu wenig. Notfallzulassungs-Mittel seien nicht besonders effizient. Gibt es ein anderes Mittel in Aussicht, das alle zufrieden stellt? Zur Zeit nicht. Deshalb schaut es auch für die heurige Ernte nicht gut aus, heißt es, wiewohl die aktuelle Trockenheit noch kein Thema ist. Erst ab der ersten Maiwoche macht die Probleme. Sie können definitiv nicht ohne heimische Erdäpfel und wollen wissen, wie sie trotz des Dilemmas weiter dazu kommen? Im Direktvertrieb wird es auch im Mai noch Kontingente aus dem Vorjahr geben. Und genau da, ab Hof, gibt es Ende Mai auch die ersten “Heurigen”. Im Juni tauchen die dann auch im Handel auf.

Erdäpfelland Niederösterreich. In Niederösterreich sind rund 4.000 Erdäpfelbauern und verbundene 40.000 Arbeitsplätze von wettbewerbsfähigen Produktionsbedingungen abhängig. Die Erdäpfelanbaufläche in Niederösterreich beträgt rund 20.000 Hektar, somit werden 82 Prozent der österreichischen Kartoffel im flächengrößten Bundesland angebaut.