Martin Sanoll war mal Biobauer. Dann haben ihn umweltschädliche Chemikalien beschäftigt und er wurde zum Urvater der heimischen Biokosmetik.

Biokosmetik-Pionier Martin Sanoll im Kreis seines Team, man könnte auch sagen, seiner Familie. ©Sanoll

Wenn Martin Sanoll etwas nicht leiden kann, dann ist es Greenwashing. Wenn in einem “natürlich” aufgemachten und beworbenen Produkt wenig Natürliches drin ist, dann geht er seit Ende der 70er gern dagegen auf die Barrikaden. Damals begann er aus Butter und Molke der 50 Ziegen auf seinem biodynamisch bewirtschafteten Bauernhof im Stubaital echte Naturkosmetikprodukte herzustellen. Die Aufbruchsstimmung der Umweltschutzbewegungen, Atomausstiegsgruppen und den neu gegründeten Grünen schwappte quasi auf ihn über. Erst sind es Einreibungen, dann 1981 Shampoos. Heute hat er 90 Produkte im Portfolio. 1996 ließ er sie analog zur Lebensmittel-Bioverordnung in Österreich zertifizieren. Und wer ein Naturkosmetik-Pionier ist, der hat es halt nicht so mit den eingangs erwähnten Grünwäschern. Aber auch mit vielem anderen nicht. Dazu gehört allem voran die Nachahmung konventioneller Kosmetik und die Wiederholung alter Werbeversprechen mit neuen Biowirkstoffen. Was Martin Sanoll dazu einfällt? Nur ein Wort: “Langweilig.”

Und das Gegenteil von Langeweile ist?

“Einen eigenständigen Weg zu gehen und innovative Produkte herzustellen.” Und was heißt das jetzt konkret? Für ihn beispielsweise bei Zahnpasten auf Tenside (Schaum) zu verzichten und stattdessen auf Heilerde zu setzen. Oder bei Pflegeprodukten ohne Emulgatoren auszukommen: “Die sind aus unserer Sicht zu sehr dem natürlichen Ursprung entfremdet. Cremen ohne Emulgatoren sind ergiebiger und unterstützen die natürlichen Regulationsmechanismen der Haut optimal. Das spart Verpackung und Ressourcen.” Den aktuellen Fokus auf ökologische Verpackungen hinterfragt er übrigens kritisch und ist flugs wieder beim Thema: “Was nützt ein Recyclingkarton, wenn der Inhalt Greenwashing ist.” Selbiges gelte übrigens für Zertifizierungen. Auch die würden den kritischen Blick auf die Inhaltsstoffe nicht ersparen. Was kommt ihm sonst noch nicht in den Tiegel? Glycerin. Und naturidente Stoffe wie Konservierungsmittel, die auch bei der Biokosmetik erlaubt sind. Dass Sanoll kein gewöhnlicher Naturkosmetikhersteller ist, wird spätestens klar, wenn er sagt:

Ich möchte keine Bedürfnisse wecken, die eigentlich nicht da sind – und damit Ressourcen verbrauchen.

Von daher wundert es auch nicht mehr, dass die Entscheidungen im Familienbetrieb – mit von der Partie sind seine Frau, die drei Söhne und sieben Teilzeitarbeitskräfte – soziokratisch getroffen werden. Ende 2018 hat man schon die zweite Gemeinwohlbilanz erstellt und in den letzten Jahren den gesamten betrieblichen Energieverbrauch auf erneuerbare Energie umgestellt. Die eigene Photovoltaik liefert den Strom und zum Heizen und Kochen verwenden die Sanolls Biogas.

Was es mit dem Lobbyismus auf sich hat

Was der Biokosmetik-Hersteller Skeptikern entgegnet, die meinen, Naturkosmetik hätte mehr Allergiepotenzial als konventionelle Kosmetik – Stichwort ätherische Öle? Und dann ist da noch der Alkohol und die geringe Haltbarkeit? Sanoll sagt, diese Frage bräuchte eine sehr lange Antwort, versucht’s dann aber doch in Kurzform. Die 26 in der Biokosmetik deklarationspflichtigen Allergene fänden sich tatsächlich großteils in ätherischen Ölen: “Aber es wurde nur die Wirkung der Reinsubstanzen untersucht, nicht die der ganzheitlichen ätherischen Öle als Vielstoffgemisch.” Dann fallen die Stichworte willkürliche Auswahl, gefolgt von dem Hinweis, dass es jede Menge nicht deklarationspflichtiger synthetischer Stoffe gäbe, die ein größeres Allergiepotential hätten als diese 26. Conclusio: “Ich vermute, dass die ätherischen Öle keine so starke Lobby haben.” Was die Haltbarkeit betrifft, so liegt die bei seinen Produkten bei zwei Jahren. Das dürfte reichen.

Über den Kornbrand und was die Alchemisten dazu sagen

Und ja, Alkohol setze er auch ein. Der sei aber zu Unrecht negativ belastet: “Es kommt es darauf an, welche Art und Qualität der Alkohol hat.” Isopropyl Alkohol kommt ihm beispielsweise nicht in die Produkte, reiner Kornbrand aus Bioweizen schon. Im Prinzip hält Martin Sanoll es mit den Alchemisten: “Schon die sahen im Alkohol (=Ethanol) die Äther-Qualität. Und gerade beim Lösen von Pflanzenwirkstoffen ist Bioalkohol immer noch ein sehr gutes Mittel.” Dennoch macht’s die Menge. “Wir verwenden in den allermeisten Produkten weniger Alkohol als in einen Glas Wein enthalten ist.” Und weil er sich gerade warm redet, setzt er folgendes hinzu. “Im Vergleich zu den naturidenten Konservierungsstoffen finde ich den Alkohol übrigens wesentlich besser, gerade auch in Bezug auf das Allergiepotential. Auch die Wirkung auf die Hautflora ist sehr gering.”

Fußabdruck statt Marketing

Dass viele Produkte, die er vor 38 Jahren entwickelt hat, noch immer unverändert im Programm sind, steht für sich. Ganz zufrieden ist Martin Sanoll aber noch nicht. Derzeit arbeitet man zum einen an Alternativen zu den Kunststoffflaschen bei Shampoos und Duschbädern. “Bisher haben wir schon viel versucht, aber die Ersatzstoffe waren einfach nicht dicht.” Zum anderen will man will man vermehrt Seifenkraut und Kastanien als Zusatz in diesen Produkten einsetzen. Dahinter steht wie immer ein ungewöhnlicher Grund: “Das reduziert den Verbrauch von Zuckertensid und dadurch Transportwege”, erklärt Sanoll, der nur bei einem Stichwort lachen muss. Und das heißt Marketing. “Wir haben keine Marketing Schwerpunkte, sondern versuchen den ökologischen Fußabdruck unserer Produkte geringer zu machen.”

In Kürze wird es die Sanoll Produkte auch auf bauernladen.at geben!

http://www.sanoll.at