Europas intensive Landwirtschaft hinterlässt belastete Flüsse.
Bis zu fünf Tierarzneimittel, darunter Antibiotika, und bis zu 38 verschiedene Pestizide fand Greenpeace in den drei heimischen Proben. Nun ist ein Streit darüber zwischen der NGO und den österreichischen Schweinebauern entbrannt.
Greenpeace wollte es genau wissen, wie die Sache mit Antibiotika und Pestiziden in Europas Flüssen aussieht, wenn in der Nähe intensive Tierhaltung betrieben wird. 29 Gewässer in 10 EU-Staaten hat man dazu ausgewählt. Das Ergebnis ist besorgniserregend im Hinblick auf die Schadstoffbelastung. 100 Prozent der Proben waren pestizidbelastet, in 70 Prozent auch Antibiotika. Die noch schlechtere Nachricht: Die untersuchten heimischen Flüsse stehen auf einem Stockerlplatz.
Dritthöchster Pestizidwert in Österreich nachgewiesen
In Österreich wurden zwei steirische Flüsse, der Schwarzaubach sowie der Stiefing und einer in Oberösterreich ausgesucht, der Sipbach. Bei allen dreien wird in unmittelbarer Nähe extensive Schweinehaltung betrieben. Und das wirkt sich aus. In den Proben fanden sich bis zu fünf Tierarzneimittel, darunter mehrere Antibiotika, und bis zu 38 verschiedene Pestizide. Damit nehmen wir in Sachen Pestizide dieser Untersuchung den dritten Platz ein. „Industrielle Tierhaltung ist eine Gefahr für unsere Umwelt und unsere Gesundheit. Die Cocktails an Schadstoffen, die durch dieses System entstehen, schaden unseren Flüssen. Auch für uns Menschen ist das mittelfristig ein gesundheitliches Risiko. Antibiotika, die aus der Massentierhaltung in die Umwelt gelangen, erhöhen die Gefahr von Resistenzen“, sagt Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace in Österreich.
Was die Schweinehaltung für Flüsse so gefährlich macht
Das Problem liegt laut Greenpeace im Antibiotikaeinsatz in der Schweinemast. Knapp Dreiviertel aller im Nutztierbereich verwendeten Antibiotika bekommen in Österreich Schweine. Nach sich zieht das eine Abhärtung der Bakterien, die Resistenzen gegenüber wichtigen Medikamenten entwickeln. Superkeime heißen die dann. Antibiotikaresistenzen sind eines der drei dringendsten Probleme für die öffentliche Gesundheit, sagt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Neben dem schlampigen Umgang der Humanmedizin mit Antibiotika trägt auch die intensive Tierhaltung zu Antibiotikaresistenzen bei, bestätigt Mediziner Hans-Peter Hutter, Sprecher der ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt: “Resistenzentwicklungen haben gravierende Folgen für die medizinische Behandlung. Häufig sind Infektionen mit resistenten Bakterien schwer therapierbar, in bestimmten Fällen sogar unheilbar.” Aus diesem Grund plädiert er für eine strenge Reglementierung des Einsatzes, auch in der Tierhaltung. Und die Pestizide? Haben auch etwas mit der Schweinehaltung zu tun. Um zehntausende Schweine satt zu kriegen, braucht es viel Mais: “Wir können daher davon ausgehen, dass ein wesentlicher Anteil der Pestizide aus dem Anbau von Futtermitteln stammt“, erklärt Theissing-Matei. Wie das Dilemma lösen? Greenpeace fordert ein ambitioniertes Antibiotika-Reduktionsprogramm für die Tierhaltung, bessere Haltungsbedingungen, niedrigere Besatzdichten und Änderungen bei den Agrarförderungen.
Die Schweinebauern wehren sich
Die Landwirtschaftskammer ließ wissen, die “Panikmache” sei weitaus überzogen und offenbar “primär der Mobilisierung von Spendengeldern in der Vorweihnachtszeit geschuldet”. Auch wenn die Rückstände in den angeführten Gewässern bedauerlich seien, würden sie unter den Vorsorgegrenzwerten liegen. Im übrigen sei nicht auf die Problematik der über Abwässer und Kläranlagen in das Grund- und Trinkwasser gelangenden Humanarzneimittel eingegangen worden, konstatierte Agrarlandesrat Max Hiegelsberger (ÖVP). Greenpeace entgegnete, man hätte auf Tierarzneimittel und auf in der Landwirtschaft genutzte Pestizide untersucht. Ein Teil der Arzneimittel sei auch für Menschen zugelassen, einige der am häufigsten gefundenen aber nur für den Einsatz bei Tieren erlaubt, was den Zusammenhang zwischen den Testergebnissen und der intensiven Tierhaltung klar bestätige. Entgegenkommender gibt sich der grüne Landesrat Rudi Anschober. Er verwies zwar darauf, dass Oberösterreich als einziges Bundesland mit der Pestizidstrategie ein Risikomanagement bei grundwassergefährdenden Pestiziden habe und genau im betroffenen Bereich ein umfassendes Kontrollprogramm laufen habe. Die 20 Messstellen in Fließgewässern der Traun-Enns-Platte könne man aber um die Ergebnisse des Greenpeace-Berichts erweitern. Und was sagen die kritisierten heimischen Schweinebauern? Sie argumentieren mit Zahlen. Knapp 44 Tonnen antimikrobiell wirksame Substanzen habe die Veterinärmedizin 2017 in Verkehr gebracht, 2013 seien es noch 55 Tonnen gewesen. In der Humanmedizin seien es im Vergleich dazu 2016 71,6 Tonnen gewesen. “Wenn man diese Zahlen kennt, kann man nicht ernsthaft davon ausgehen, dass das Problem von Resistenzbildungen allein in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu suchen ist”, so Walter Lederhilger, der Obmann des Verbands österreichischer Schweinebauern (VÖS). Und die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln? “Da brauchen wir uns auch nicht auf die Zahlen von NGOs verlassen, wenn sie denn überhaupt publiziert werden. Denn konkrete Zahlen zu den nachgewiesenen Mengen fehlen oder sind weit unter den Grenzwerten. Es gibt längst nationale Kontrollprogramme, die von den Behörden durchgeführt werden. Auf diese Untersuchungen verlasse ich mich”, so Lederhilger.
Hier finden Sie die Österreich-Ergebnisse im Detail: