Der Agrar-Atlas 2019 ist erschienen
Die Heinrich Böll-Stiftung hat Daten und Fakten zur europäischen Landwirtschaft veröffentlicht. Und die zeigen: Nicht alles ist eitel Wonne.
Fast 60 Milliarden Euro ist der EU-Agrarpolitik Europas Landwirtschaft jährlich wert. Umgerechnet sind das 114 Euro pro EU-Bürger im Jahr. Der gerade erschienene 52-seitige Agrar-Atlas der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt aber, dass zu wenig Geld den Zielen zugute kommt, die den Europäern wichtig sind. Das sind etwa gesunde Lebensmittel, der Schutz von Umwelt, Klima und Biodiversität oder der Erhalt von kleinen und mittleren Betrieben. All das ist untrennbar mit der Landwirtschaft verbunden. Und trotzdem – von 80 Prozent der Gelder profitieren nur 20 Prozent der Betriebe, und das auch noch weitgehend ohne Auflagen. Das sagen die Herausgeber Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung, Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und Barbara Bauer von der deutschen Ausgabe der Le Monde diplomatique.
Die EU-Agrarpolitik ist ein bürokratisches Monstrum. Viele wissen nicht einmal, dass es sie gibt.
Sie nennen die Dinge gern beim Namen: Die EU-Agrarpolitik, sagen sie, sei ein bürokratisches Monstrum und für Laien kaum zu verstehen. Viele wüssten nicht einmal, dass es sie gibt. “Alle sieben Jahre wird sie überarbeitet, und trotzdem fördert sie ein falsches System. Sie ist nicht auf das ausgerichtet, was vielen von uns wichtig ist: gesunde und leckere Lebensmittel, artgerechte Haltung von Tieren, Schutz von Gewässern, Vögeln und Insekten. Das Geld wird pro Hektar Fläche vergeben. Die größten Betriebe bekommen das meiste, während Programme für den Erhalt kleiner Bauernhöfe völlig unterfinanziert sind.”
Seit vielen Jahren ignorierten die Regierungen der EU-Mitgliedsländer nicht nur die Forderungen großer Teile der Bevölkerung, sondern würden die Interessen der industriellen Agrarlobby in Brüssel vertreten: “Das ist empörend. Damit leisten sie nicht nur der Landwirtschaft in der EU einen Bärendienst, sondern sind mitverantwortlich dafür, dass zentrale, von der EU selbst gesteckte Ziele nicht erreicht werden – weder der Schutz des Klimas, der Böden und Gewässer und der Artenvielfalt noch globale Gerechtigkeit durch die nachhaltige Nutzung von Ressourcen und einen fairen Außenhandel.” Der Agrar-Atlas zeige aber auch, dass es sich lohne, für eine bessere, grundlegend andere Agrarpolitik einzutreten. “In vielen Ländern der EU wachsen die Bewegungen für nachhaltige, soziale und global gerechte Agrar- und Ernährungssysteme. Organisationen von Bäuerinnen und Bauern vernetzen sich mit Konsumentinnen und Konsumenten, mit Natur-, Umwelt- und Tierschutzorganisationen sowie entwicklungspolitischen Gruppen”, so die Herausgeber.
Überzeugt sind sie auch davon, dass es falsch wäre, die Förderung der Agrarpolitik einfach abzuschaffen. Denn der Umbau zu einer nachhaltigen und global gerechten Landwirtschaft sei nicht umsonst. Das Trio glaubt daran, dass Geld für eine andere Agrarpolitik im Haushalt der EU vorhanden ist. Doch wie nutzen? “So, dass Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft honoriert werden”, sagen sie. Daher sei es höchste Zeit für eine lebendige gesellschaftliche Diskussion über die Gestaltung der Landwirtschaft. “Nur wenn die Menschen in der EU das Gefühl und das Wissen haben, dass das Geld für die Landwirtschaft sinnvoll und im Sinne des Gemeinwohls verwendet wird, werden sie auch in Zukunft bereit sein, sie zu unterstützen.”