“Heurige” aus der Wüste
Frühkartoffeln haben bei uns erst Ende Mai Saison, doch bereits jetzt sind die ersten „Heurigen“ im Regal zu finden. Ihre Herkunft bleibt gerne im Dunkeln.
Wer schaut schon auf das Herkunftsland beim Kauf von “Heurigen”? Heurige hört sich doch eindeutig österreichisch an. Oder etwas nicht? “Was nur wenige wissen: Die sogenannten „heurigen“ Kartoffeln werden in Österreich erst ab Ende Mai geerntet und alles, was bis dahin unter diesem Namen im Lebensmittelhandel erhältlich ist, wird importiert – vorrangig aus Ägypten und Israel,” erklärt Maria Fanninger vom Verein “Land schafft Leben.” Im großem Stil werden Kartoffeln für den Import nach Europa angebaut, und das großteils mitten in der Wüste. Dabei sind unsere heimischen Kartoffeln durch ihre Lagerfähigkeit das ganze Jahr über verfügbar.
Wasser für die Wüstenkartoffel
Höchsttemperaturen von bis zu 60 Grad, die weltweit meisten Sonnenstunden pro Tag und de facto kein Niederschlag: Die Sahara zählt zu den lebensfeindlichsten Orten der Welt. Doch mitten in der Wüste Ägyptens erstrecken sich hunderte Quadratkilometer weite grüne Felder, auf denen unter anderem jene Kartoffeln angebaut werden, die 4000 Kilometer weit nach Österreich transportiert und hier als „Heurige“ verkauft werden. Möglich ist das durch aufwendige künstliche Bewässerung. Und das in einer Region, in dem Wasser ein knappes und hart umkämpftes Gut ist.
Dabei sind die österreichischen Lagerkartoffeln auch jetzt verfügbar. Sie werden von August bis November geerntet und bis zur nächsten Frühkartoffelernte gelagert, die Ende Mai beginnt. Der Selbstversorgungsgrad der Kartoffel war in Österreich schon immer hoch. Durch die steigende Anbaufläche und die gute Ernte 2020, bei der rund ein Viertel mehr Kartoffeln als im Vorjahr eingebracht wurden, ist dieser noch weiter angestiegen. Aufgrund des Corona-bedingten Ausfalls von Gastronomie und Hotellerie während der letzten Monate wurde außerdem ein Teil der heimischen Kartoffelernte nicht abgenommen.
Eine Frage der Größe
Die überschüssigen heimischen Erdäpfel essen, statt Frühkartoffeln aus Ägypten zu importieren – die Lösung für das Kartoffel-Dilemma liegt eigentlich auf der Hand. Doch die typische Gastronomie-Kartoffel ist für Konsumenten aufgrund ihrer Größe unattraktiv. Sie wollen lieber die feine kleine Frühkartoffel, und das am besten schon Ende Februar. Für Maria Fanninger ist das eine absurde Situation: „Durch die Lagerfähigkeit haben wir das ganze Jahr über österreichische Kartoffeln zur Verfügung und müssen nicht zu Importware aus Ländern wie Ägypten und Israel greifen.”
Jeder Griff ins Regal ist auch ein Produktionsauftrag – denn nachgeschlichtet wird nur das, was vorher auch herausgenommen wurde. Greifen wir also nicht zu importierten Frühkartoffeln, werden diese auch nicht mehr nachbestellt.
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