Bio-Pioniere
Einst wurden sie verlacht und haben Blut, Schweiß & Tränen vergossen: Die Biobauern der ersten Stunde. Jetzt feiert Bio Austria sie beim eigenen 40er.
Wir schreiben das Jahr 1971. In einer Lagerhaus-Filiale taucht ein Bauer auf, der nichts kaufen will. Statt dessen legt er einen ganzen Haufen an Kunstdünger und Spritzmittel auf den Tisch und will sie zurückgeben. Die Lagerhaus-Mitarbeiter können es kaum glauben. Peter Prasser aber weiß, was er da tut. Denn er hat sich entschlossen, auf Biolandbau umzustellen. Der erste Biobauer war er nicht, aber der, der am offensichtlichsten auf die konventionelle Landwirtschaft pfiff. Lange acht Jahre brauchte es nach Prassers legendärem Auftritt noch, bis sich 1979 Bauern aus verschiedenen Bundesländern zusammentaten und den “Verband organisch-biologisch wirtschaftender Betriebe Österreichs” gründeten – den Vorläufer von Bio Austria. Etwa zur gleichen Zeit stellte im Burgenland eine Handvoll Winzer den noch unbehelligten Bereich des Weinbaus auf den Kopf. Auch sie verbannten die “giftigen Spritzmittel”: Johann Steindl, Eugen Wimmer und Rudolf Beilschmidt.
Viele führte Krankheit zur biologischen Arbeitsweise
Prasser, Beilschmidt und Co. hatten freilich Vorbilder: Den ältesten Biohof Österreichs etwa, den biologisch-dynamischen Wurzerhof, der 2017 sein 90jähriges Jubiläum beging. Oder jene Kärnter Vorreiter, die auch schon 1925 biologisch-dynamisch arbeiteten. Warum aber gerade in den frühen 1960ern die ersten konventionellen Betriebe auf Bio umstellten? In vielen Fällen waren es Begegnungen mit Ärzten oder gesundheitliche Aspekte, die sie zum Umdenken brachten. Karl und Anna Schuster zum Beispiel stellten nach dramatischen gesundheitlichen Problemen um und waren lange Jahre die einzigen Biobauern in NÖ in der Buckligen Welt. Karl Brader besiegte sogar seinen Tumor, er wurde Biodinkelbauer.
Bio-Meilensteine in Österreich
Ende der 1980er erfolgte die Festschreibung von Richtlinien zum biologischen Landbau im Österreichischen Lebensmittelbuch „Codex Alimentarius Austriacus“. 1989 wurde im Ministerium eine Abteilung für biologischen Landbau etabliert. 2005 erfolgte die Gründung des Bio-Dachverbandes Bio Austria.
Rund um die Umsteiger entstanden nach und nach regionale Arbeitsgruppen, die die weitere Entwicklung vorantrieben. Wer jetzt aber glaubt, es gab Ende der 1970er bereits ein großes Umdenken, der irrt. Gerade einmal 200 mutige Pioniere waren da Mitglied bei Bio-Verbänden. Die als verpflichtend angesehenen Produktionsrichtlinien haben die ersten Biobauern übrigens selbst entwickelt. Ab 1978 fanden sich dann mehr und mehr Lebensmittel betitelt mit biologisch-dynamisch, organisch-biologisch oder biologisch in Reformhäusern, Grünläden, bei Verbraucher-Erzeugergemeinschaften und der bäuerlichen Direktvermarktung – teilweise mit direktem Gesundheitsbezug. Das gefiel allerdings da (noch) nicht allen, erinnert sich Ludwig Maurer, 1980 Mitbegründer des Ludwig Boltzmann Instituts für Biologischen Landbau und Angewandte Ökologie. “Unisono war die Reaktion von Sozialpartnern, der Agrarwissenschaften, der Agrarpolitik und der Lebensmittelbehörden auf Bundes- und Landesebene negativ bis aggressiv negativ”, sagt Maurer. Eine Vielzahl von Verfahren wegen Falschbezeichnung, gesundheitsbezogenen Angaben, Hygienemängeln und Preistreiberei wurde eingeleitet.
“Insgesamt wurde die Angelegenheit als Spinnerei einiger Bauern und Konsumenten – damals auch als ,Körndlfresser’ bezeichnet – abgetan. Wenig objektivierbare Meldungen wurden lanciert, wie z. B. die verschrumpelten Äpfel werden als ,Bio’ verkauft, dafür wird nächtens in diesen Betrieben heimlich gespritzt und gedüngt.”
Selbst der Boku-Pflanzenbauprofessor Otto Steineck war der Meinung, es können keine biologische Landwirtschaft geben, da ohnehin jede Landwirtschaft biologisch sei. Zur gleichen Zeit wurden aber immer mehr Probleme der Intensivlandwirtschaft medial publik, wie Pflanzenschutzmittelrückstände, Hormon- & Antibiotikarückstände, schlechte Lagerqualität, DDT in Muttermilch, Beeinflussung der Artenvielfalt, Bodenschäden und Grundwasserbelastungen. Das führte wiederum zu einer verstärkten Nachfrage nach Bio, die sich nicht mehr ignorieren ließ. Nach und nach fanden sich auch auf politischer Ebene Befürworter, wie etwa Kurt Steyrer. Das damalige Umweltministerium sah sich gezwungen, objektivierbare Kriterien für die Bezeichnung „biologisch“ zu erstellen. Und schließlich begann unter Landwirtschaftsminister Josef Riegler die finanzielle Förderung der Umstellung auf biologische Landwirtschaft und ihr zahlenmäßiger Aufstieg.
Derzeit werden in Österreich rund 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche von über 21 Prozent der bäuerlichen Betriebe biologisch bewirtschaftet. Rund 32 Prozent des Dauergründlandes, 18 Prozent der Ackerflächen, 34 Prozent der Obstanlagen und über 14 Prozent der Weingärten werden bereits nach den Grundsätzen der biologischen Landwirtschaft gepflegt. Und die Österreicher mögen ihr Bio: 2018 wurden Bio-Lebensmittel um 1,9 Milliarden Euro verkauft. Damit stieg der Bio-Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um über 100 Millionen Euro bzw. fünf Prozent. Damit ist Österreich Bio-Weltmeister. Zu verdanken ist das alles den Biopionieren der ersten Stunde, die alle Widerstände überwunden haben und sich jetzt zu Recht feiern lassen.
ÜBER BIO AUSTRIA
Bio Austria ist das Netzwerk der österreichischen Biobauern. Als größter Bio-Verband in Europa repräsentiert er die österreichische Bio-Landwirtschaft und vertritt die Interessen von 13.500 Mitgliedern und mehr als 400 Partnerunternehmen in der Wirtschaft. Aktuell feierte man das 40jährige Bestehen. Das Jubiläum wurde am 17. Oktober am Bio-Seminar-Betrieb der Familie Kletzmayr in St. Marien (OÖ) gefeiert. Rund 350 Gäste aus ganz Österreich folgten der Einladung. www.bio-austria.at