Die Vordenker Dirk Maxeiner und Michael Miersch haben bereits 2001 provokante Thesen zur Zukunft der Landwirtschaft entworfen. Was sie heute dazu sagen:

Bauernladen.at: Sie sagen nicht „Small is beautiful“ sondern „Small is stupid“. Wie darf man das verstehen?

Dirk Maxeiner/Michael Miersch: Der polnische Autor Ryszard Kapuscinski schreibt: „Die Länder mit den höchsten landwirtschaftlichen Erträgen sind jene mit dem geringsten Anteil von Bauern”. Europaweit wurde bereits 2001 alle zwei Minuten ein Bauernhof aufgegeben. Daran hat sich nichts geändert. Das liegt nicht nur am ökonomischen Druck, sondern auch an einer gewandelten Lebenseinstellung. Verwöhnte Städter in gut gepolsterten Bürosesseln mögen sich nach bäuerlicher Familien- und Handarbeits-Idylle sehnen, Bauernsöhne und Töchter tun es in der Mehrzahl nicht. Immer weniger Landwirte werden in Zukunft immer größere Flächen bewirtschaften. Dafür brauchen sie eine gute Ausbildung, Arbeitsteilung und Hightech.

“Konsumenten müssen wieder lernen, dass Fleisch von lebendigen Tieren stammt.”

Bauernladen.at: Sich wieder Teil der Wirtschaft begreifen und von der Planungsbürokratie Abstand nehmen, lautet These zwei. Kann das funktionieren?

Maxeiner/Miersch: Neuseeland hat es vorgemacht. Bis 1984 bestand dort etwa ein Drittel des bäuerlichen Einkommens aus staatlichen Zuschüssen. Dann strich die damalige Labour-Regierung alle Subventionen und Steuervergünstigungen. Nur ein Prozent der Bauern machte daraufhin bankrott. Sie haben den Unternehmer in sich entdeckt und ihre große Mehrheit will nicht mehr zum alten System zurück. Anstatt überkommene Produktionsformen am staatlichen Dauertropf langsam zugrunde gehen zu lassen, sollten innovative Agrarunternehmer Starthilfen erhalten. Konzepte gibt es genug – bis hin zur Domestizierung von Insekten als Eiweißlieferanten.

Bauernladen.at: Der konventionellen Landwirtschaft stellen Sie ein schlechtes Umweltschutzzeugnis aus. Wie lässt sich das optimieren?

Maxeiner/Miersch: Mit Satelliten-Hilfe sollen die Felder kartiert und analysiert werden. Computer ermitteln, welche Nährstoffe und Spritzmittel an welcher Stelle benötigt werden, der Satellit steuert die punktgenaue Ausbringung. Landmaschinen werden analog zu Navigationssystemen, die Autofahrern den Weg weisen, gelenkt. Der Traktor wird intelligent. Agrarforscher ermittelten eine bis 40prozentige Dünger- und Pestizideinsparung bei gleichzeitiger Ertragssteigerung.

Bauernladen.at: Die Landwirtschaft soll sich zudem vom Land emanzipieren? Geben Sie uns ein Beispiel?

Maxeiner/Miersch: Holland-Tomaten, die längst auf Steinwollquadern wachsen, die per Schlauchsystem mit Wasser und Dünger versorgt werden. Ihr schlechter Ruf ist dabei nicht mehr durch die Fakten gedeckt: So setzen die Gewächshaus-Produzenten weniger als ein Drittel der Pestizide ein, die konventionelle Bauern auf die Felder sprühen. Im Treibhaus ist die biologische Schädlingsbekämpfung mit Marienkäfer oder Schlupfwespe auf dem Vormarsch. Hummelvölker bewähren sich als konkurrenzlos effektive Bestäuber. Im Nährstoffgehalt stehen Salat oder Gurken dem im Freiland angebauten ohnehin nicht nach. Auch der Anbau von Pilzen oder Algen emanzipiert die Nahrungsmittelherstellung vom Acker und vom Klima.

Bauernladen.at: Was steht es um Ihre Forderung nach radikaler Offenlegung aller Produktionsmethoden?

Maxeiner/Miersch: Wir brauchen gläserne Ställe und Schlachthäuser. Nur so lässt sich das undurchsichtige Milieu mancher Futtermittel – und Fleischhersteller austrocknen. Konsumenten müssen wieder lernen, dass Fleisch von lebendigen Tieren stammt. Schmutzige Methoden blieben auch so lange unentdeckt, weil viele Verbraucher lieber ihre Illusionen von ländlicher Idylle pflegten und von den tatsächlichen Zuständen nichts wissen wollten.

Bauernladen.at: Gentechnische Möglichkeiten zu nutzen, um mehr Nahrung auf gleich Fläche zu ernten – das halten Sie für sinnvoll?

Maxeiner/Miersch: Anstatt die diese Technik pauschal zu bekämpfen, sollte man die Genpflanzenzüchter beim Wort nehmen: Lasst sie beweisen, welche ihrer Versprechungen realistisch sind. Sogar führende Köpfe im internationalen Naturschutz plädieren inzwischen für die „Grüne Gentechnik“. Manche Pläne machen ihnen Hoffnung, z.B. dürre- und salztolerantes Getreide für Trockengebiete.

Bauernladen.at: Last but not least sind sie für die grüne Globalisierung?

Maxeiner/Miersch: Die nationale Landwirtschaft ist bereits eine Illusion. Unsere Rinder und Schweine fressen sich realistisch gesehen – in Brasilien satt, woher das Soja in den Trögen vielfach stammt.

Lesetipp: Dirk Maxeiner, Michael Miersch, Biokost & Ökokult – Welches Essen wirklich gut für unsere Umwelt ist (Piper Verlag)