Jäger schlagen Alarm, Landwirte stöhnen, der Wildbestand leidet. Corona macht die Bedeutung von verantwortungsvoller Jagd besonders deutlich.

Wildschweine dürfen das ganze Jahr über bejagt werden, nur mit Jungen stehen die Bachen unter Mutterschutz. ©Pixabay

Dass die Coronapandemie auch auf die Jagd einen enormen Einfluss hat, ist vielen nicht bewusst. Die Jagd ist nämlich tatsächlich „systemrelevant“. „Die Jagdausübung ist per Gesetz und unter Einhaltung der Covid19-Schutzmaßnahmen als berufliche Tätigkeit eingestuft worden,” erklärt Oberösterreichs Landesjägermeister Herbert Sieghartsleitner im Rahmen der jüngsten Hohenbrunner Journalistengespräche. “Auf Gesellschaftsjagden galt es jedoch insbesondere im letzten Jahr zu verzichten. Eine besondere Herausforderung war in der Folge auch die Vermarktung des Wildbrets.“

Verantwortung in Grün

„Zur Wildschadensvermeidung und zur Hintanhaltung von Wildkrankheiten, etwa der Afrikanischen Schweinpest, muss die Jagd überlegt und verantwortungsbewusst weiter betrieben werden“, ergänzt Christopher Böck, Wildbiologe und Geschäftsführer des Oberösterreichischen Landesjagdverbandes. Zudem gelte es, Behördenvorgaben hinsichtlich der Abschusszahlen zu erfüllen.

Letztlich haben die neun Landesjagdgesetze nämlich ein gemeinsames Ziel: Den Erhalt des gesunden und artenreichen Wildbestandes im Sinne einer intakten Natur. Somit ist zum Beispiel auch die Fuchs- und Marderjagd ein wesentlicher Bestandteil des Artenschutzes. Wildbiologe Christopher Böck weiter: „Vor allem beim Bioindikator Rebhuhn, das für viele Tierarten steht, haben wir noch große Aufgaben vor uns. Regionsweise droht uns das Wegsterben dieser kleinen Hühnerart.“ Die Jagdgesetze dienen nicht dazu, Freizeitaktivitäten der Jäger zu schützen, sondern verfolgen vornehmlich Ziele des Allgemeininteresses. „Unsere Jäger und Jägerinnen sind sozusagen die Stimmen der Wildtiere aus Wald und Flur.“, so Landesjägermeister Herbert Sieghartsleitner. Insbesondere in diesen herausfordernden Zeiten wird somit der Stellenwert einer verantwortungsvollen Jagd besonders deutlich.

„Wilde“ Ausreißer in der Statistik

In Oberösterreich erstreckt sich das Jagdjahr vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres. Gesamt sind für diesen Zeitraum im Jahr 2020/21 177.273 Abschüsse verbucht. Im Vergleichszeitraum 2019/2020 waren es noch 198.977 Abschüsse – und damit schreibt man heuer ein Minus von 21.681 Abschüssen (Minus 10,9 Prozent).

Spannend wird aber vor allem der Blick hinter die Gesamtzahl. Während es etwa bei den Schalenwild-Abschüssen (85.392) im Vergleich zum Vorjahr (86.274) kaum Unterschiede gibt, sind die Zahlen etwa beim Feldhasen und dem Schwarzwild coronabedingt kräftig abgestürzt. Nach 46.515 erlegten Hasen im Jagdjahr 2019/20 wurden 2020/21 nur 31.841 Hasen zur Strecke gebracht. Ähnlich eklatante „Ausreißer“ gibt es heuer vor allem bei den Wildschweinen. Bei Vorkommen in allen oberösterreichischen Bezirken wurden laut jüngster Statistik 1.118 Stück erlegt. Im Vorjahr waren es noch 2.230 Stück. Was einem beachtlichen Rückgang von über 50 Prozent entspricht.

War es beim Feldhasen vornehmlich der Verzicht auf Treibjagden, hat es beim Wildschwein vor allem auch mit der Mast bei Buchen und Eichen zu tun, konkret dass diese Baumarten wieder zahlreiche Bucheckern und Eicheln produziert haben. Das bewirkt, dass sich das Schwarzwild mehr verteilt hat und vor allem die Kirrstellen (Lockfütterung zum Zwecke der Erlegung) nicht annahm. Die Bejagung ist damit ungleich schwerer, selbst bei der Ausnahmeregelung von Nachtsichtzielgeräten.

Auch der Schnee ist spät gekommen, weshalb der Ansitz oder das Ausneuen (frische Fährten im Schnee) zu kurz gekommen sind. Auch hier waren die Gemeinschaftsjagden aufgrund der Corona-Pandemie reduziert.
Mit den sinkenden Abschusszahlen hat sich nun eine ohnehin schon besorgniserregende Situation deutlich verschärft. Der rasante Anstieg der Schwarzwildpopulation ist ein europaweites Phänomen. Mit spürbaren Auswirkungen: In weiten Teilen Österreich stöhnt vor allem die Landwirtschaft unter der durchaus rasanten Vermehrung von Wildschweinen.

Denn wenn eine Wildschweinrotte auf Wanderschaft ist, dann hinterlässt sie auf Feldern, Wiesen und Gärten meist eine Spur der Verwüstung.

Als einzige Handhabe bleibt der Abschuss. Und obwohl die Tiere, mit Ausnahme der führenden Bache (Mutterschutz) das ganze Jahr über gejagt werden dürfen, sind sie im Sommer, wenn die Felder hochstehen, so gut wie unsichtbar – und daher selbst für erfahrene Jäger schwer auszumachen. Zu den offensichtlichen Schäden kommt aber vor allem ein gesundheitliches Risiko: Die Afrikanische Schweinepest (ASP) erreichte bereits im Jahr 2014 über Georgien und Russland Europa, und hier als erstes die baltischen Staaten.

Mittlerweile sind weite Teile Osteuropas betroffen, und auch den Sprung in den Westen, nach Deutschland und Belgien, hat die ASP bereits geschafft. Noch gibt es in Österreich keine Fälle. Damit dies auch so bleibt, kommt vor allem der Jägerschaft eine besondere Bedeutung zu. Die Afrikanische Schweinepest ist eine äußerst ansteckende Seuche. Sie befällt Haus- und Wildschweine, stellt aber für andere Tiere und Menschen keine Gesundheitsgefährdung dar. Der Erreger, ein Virus, ist sehr widerstandsfähig. Er kann Wochen bis Monate in Fleisch und Fleischwaren infizierter Tiere sowie in Schlachtabfällen überleben, in gefrorenem Fleisch sogar mehrere Jahre. „Wir tragen natürlich alle notwendigen Präventivmaßnahmen mit, hoffen allerdings auf entsprechende Wirkung unseres Einsatzes, um zeitnah zur normalen Bejagung zurück zu kommen. Grundsätzlich ist Schwarzwild nämlich eine spannende Wildart“, so der Landesjägermeister weiter.

Eine Frage des Klimas

Doch nicht nur der Siegeszug der wilden Sau bereitet den heimischen Jägerinnen und Jäger entsprechend Sorge. Vielmehr ist es ein Blick in höher gelegene Naturlagen in unserem Bundesland, der die Grünröcke nachdenklich stimmt. Die Erderwärmung trifft die Alpen ganz besonders. Die Durchschnittstemperaturen steigen hier doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Ob Vegetationsperiode, Wasserhaushalt, Schneegrenze oder Gletscher, das ganze System gerät aus dem Takt. Die Waldgrenze steigt nach oben, Gletscher verschwinden und Permafrostböden tauen auf. Was für hochalpine Wildtiere wie etwa die Gams dramatische Auswirkungen hat

Das schlechte Klima wird auch durch die stetig steigende Zahl an Freizeit-Jüngern, die die Bergwelt mehr und mehr erobern, nicht besser. Egal ob Klimawandel oder Freizeitverhalten, die Auswirkungen auf die Wildtierpopulationen sind dementsprechend bedeutend. Das sensible Ökogleichgewicht gerät völlig aus dem Gefüge, die betroffenen Tiere sind gezwungen in ungewohnte, teils wenig geeignete Lebensräume auszuweichen. Wildtierarten wie Gams und Schneehase haben sich im Laufe ihrer Evolution perfekt an das Leben in alpinen Regionen angepasst und sind somit Teile dieses sehr empfindlichen Ökosystems geworden. Bei einem allgemeinen Ansteigen der Waldgrenze aufgrund der Klimaerwärmung verringert sich der Lebensraum dieser Wildtierarten massiv.

Das Gamswild zieht es, wenn es nicht weiter nach oben kann, in Richtung schattigen Wald. Das sind jedoch oft Schutzwälder, in denen die Gämsen möglicherweise die notwendige Verjüngung beeinträchtigen. Durch die suboptimalen Lebensräume kommt es im Extremfall bei diesen Wildtieren zur Abnahme und zum Verschwinden einzelner Populationen, Verarmung genetischer Ressourcen, Schwächung der Abwehrlage und damit auch vermehrt zu Infektionskrankheiten.

Die Planung ist alles

Für Landesjägermeister Herbert Sieghartsleitner ist eine ökologische Raumplanung das Gebot der Stunde. „Es geht darum, die Interessen aller Raumnutzer und ihre Ansprüche in der Natur zu koordinieren. Die Natur wird nicht mehr, aber es gibt mehr Nutzer. Das spüren die Wildtiere besonders”, verdeutlicht er das Problem. „Die Natur ist das einzige Gut, das sich nicht vermehrt und das höchst sensibel ist.” In anderen Bundesländern wie Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten gibt es bereits solche Regelwerke, an die man sich anlehnen könne. Natürlich geht es dabei auch um Einschränkungen. Es wird nicht ohne die Verordnung von Ruhezonen gehen. Es geht jedenfalls viel um Verständnis, die Logik, die Natur nicht übermäßig zu beanspruchen und um die Einbindung aller Gruppen.