Warum sich inzwischen 200 Millionen Bienen in der Donaumetropole tummeln und wie Sie zu Ihrem Bienenstock kommen, ohne dafür arbeiten zu müssen.

Über 70.000 Bienen produzieren am Dach des Grand Hotels Honig, 500 Gramm davon kosten 19,90 Euro. ©Grand Hotel

Eine echte Wiener Stadtbiene arbeitet auch auf historischen Gebäuden der Innenstadt: Dem Dach der Staatsoper, dem des Burgtheaters, des naturhistorischen Museums oder der Secession. Überall dort leben inzwischen Bienenvölker, die sich mitten in der Stadt pudelwohl fühlen. Etwa 5.300 mit rund 40.000 Bienen pro Stock sind es aktuell, betreut von 740 gemeldeten Imkern – von denen ein Teil aber auch in den umliegenden Bundesländern arbeitet. Über das Jahr produzieren sie rund 120 Tonnen Honig. Die Stadtbienen lieben Grünanlagen, wie den Schwarzenbergpark oder Landgüter, wie das am Cobenzl. Aber sie mögen eben auch Hotel-Dächer, die Terrassen des AKH, das Dach des Rathauses oder der Wirtschaftsuniversität.

Intelligente Faulpelze

Besonders fleißig sind die summenden Mitbewohner allerdings nicht. Mit diesem Klischee räumt der Wiener Stadtimker Felix Munk gern auf. „Sie fliegen nicht weiter, als sie müssen. Insofern sind sie fast ein bisschen faul“. Viele Grätzeln Wiens kommen den Bienen dabei entgegen. Im ersten Bezirk etwa gibt es in einem angenehmen Flugradius von einem Kilometer jede Menge anzufliegen: „Im Volksgarten der japanische Schnurbaum und jede Menge Efeu, den sie mögen, an vielen Fassaden in der Umgebung.“ Das im Schnitt ein bis zwei Grad wärmere Klima in der Stadt tut das Seine zur Wohlfühlatmosphäre. Die Bienen sind im Frühjahr zeitiger und im Herbst länger unterwegs. Bringen die Honigproduzenten auch Herausforderungen mit sich? „Ja“, sagt Munk. „Die Bienenvölker siedeln sich oft an Orten an, die wir Stadtbewohner nicht so gern teilen: auf Balkonen oder Spielplätzen, an Hausmauern oder Gartenzäunen. Diese Bienen müssen daher oft von der Feuerwehr eingefangen werden“. Manchmal wird die Stadt zur Todesfalle. Denn Bienenvölker, für die in kurzer Zeit kein Abnehmer gefunden wird, müssen vernichtet werden. Felix Munk gehört dem Verein Stadt-Imker an, der Standplätze organisiert und betreut: „Wir suchen immer nach Unterstützern, die auf ihrem Gelände, auf Dächern, freien Plätzen, im Garten einen Platz zur Verfügung stellen wollen.“ Arbeit gibt es für die Standort-Spender keine. „Die Bienen-Völker werden von unseren Imkern betreut“.

Enthält Stadthonig Schwermetalle?

Naturgemäß lässt sich der Wiener Stadthonig auch erwerben, nicht immer ist er aber ein Schnäppchen. Ein 250 Gramm-Glas Intercontinental-Honig etwa kostet 9,90 Euro pro 250 Gramm-Glas. Liegt man damit im Schnitt? Nein, sagt Matthias Kopetzky, Imker bei der Bio Bezirksimkerei Wien. “Unser Wiener Bezirkshonig kostet in der Menge nur die Hälfte.” Bei “besonderen Lokalitäten” spiele der Preis offenbar keine Rolle, repräsentativ seien die jedoch nicht. Aber egal ob man lieber “besonders” hoch- oder normalpreisig kauft, die wesentliche Frage bleibt immer die selbe: ist der Honig auch schadstofffrei? Ist er. Mehrere Stadtimker Europas lassen ihre Produkte regelmäßig testen, um die Angst vor Schwermetall-Rückständen auszuräumen. Allem voran geht es um Blei, das beim Hausbau und in Dachmaterialien verwendet wird. Die Bienen könnten es mit dem Regenwasser aufnehmen und dann wäre auch der Honig belastet. Französische Chemiker gaben aber Entwarnung. Auch in München lagen die Blei-, Cadmium und Arsen-Gehalte unter der Nachweis-Grenze. Eine andere Frage ist die, ob Stadtbienen widerstandsfähiger sind als ihre Pendants am Land. Dazu untersuchte Yves Loublier Pollen, die zeigen, welche Pflanzen die Bienen angeflogen haben. Der Unterschied ist frappant: „Die Stadthonigproben sind verflixt komplex“, sagt der Forscher. Tausende verschiedene Pollen finden sich darin, darunter unbestimmbare, die in keinem Atlas mitteleuropäischer Blütenpflanzen erwähnt sind. Aufgrund dieser Vielfalt produzieren Stadtbienen auch viel mehr Honig als die am Land und sind widerstandsfähiger. Dort gäbe es oft nur noch Monokulturen, Raps oder riesige Obstplantagen, die nur kurz blühen. In den Großstädten dagegen sorgen Grünzonen und Hobbygärtner für eine Blütenvielfalt. Und die Aminosäuren und Eiweiße in deren Pollen stärken das Immunsystem.

100.000 gerettete Bienen leben jetzt am Dach des Naturhistorischen Museums. Stadtimker Felix Munk betreut sie. ©NMH

Potenzial ohne Ende

Ausgereizt ist Wien als Bienen-Heimat übrigens noch lange nicht, wie eine Masterthesis der technischen Universität aus 2016 beschreibt. Michael David Salomonowitz ermittelte unter Einbezug von Grünflächen, Flugradius und Bestäubungsmöglichkeit ein Potenzial von 1.684 Bienenstöcken für die Bezirke 1 bis 9. Insofern könnten Sie die Gelegenheit nutzen und einem Bienenvolk ein Zuhause geben, wenn Sie jetzt auf den Geschmack gekommen sind. Sie melden sich einfach bei den Stadtimkern oder bei Institutionen wie „rent-a-bee“, dem Bienenzuchtverein Wien-West oder dem Landesverband für Bienenzucht. Und schon summt es im nächsten Frühjahr auch bei Ihnen. Hobbyimker können Sie natürlich auch werden. Die Einstiegs-Kosten? Liegen bei etwa 300 Euro – darin sind ein Bienenstock, die Grundausrüstung an Werkzeug und Schutzkleidung sowie ein Bienenvolk enthalten.

http://www.stadtimker.at
http://rentabee.eu/
https://bienewienwest.at/
https://www.imker-wien.at/

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