Die Waldviertler Karpfenteichwirtschaft könnte schon sehr bald zu Österreichs erstem landwirtschaftlichen Weltkulturerbe werden.

©Waldviertel Tourismus

3.500 der über 4.000 Fischteiche Niederösterreichs liegen im Waldviertel und sind uralt. Genauer gesagt bestehen sie seit über 700 Jahren. Das zeigt klar den Stellenwert der Teichwirtschaft im Bundesland auf, in dem übrigens satte 60 Prozent aller österreichischen Teiche liegen. Wer schwimmt in den Gewässern der Region? Allem voran der Waldviertler Karpfen. Den kennt  jeder, sein Ruf ist quasi grenzenlos. Aber ihn deshalb gleich zum landwirtschaftlichen Weltkulturerbe machen? Nein, das ist kein Scherz. Die Welternährungsorganisation (FAO) ist wirklich auf die Karpfenteichwirtschaft im heimischen Norden aufmerksam geworden und will die Produktionsweise auszeichnen. Man könnte sagen: Die Teichwirte rudern ohne Umwege darauf zu, zu einer Pionierregion zu werden.  Um die Nachfrage muss man sich aber auch ohne Prämierung nicht sorgen. Der Karpfen trifft den Zeitgeist und hat Eigenschaften, “nachhaltig”, “regional”, “gesund” und “schmackhaft” etwa.

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Ganz ohne Sorgen ist man im Waldviertel aber dennoch nicht. Man kann nicht so viel produzieren, wie der Markt hergeben würde. Die Produktionsmenge könne mit Mühe auf dem jetzigen Niveau gehalten werden, sagen die Teichwirte. Ihr Feind hat einige Namen: Otter oder Kormoran beispielsweise.

Fischotter-Abschüsse ja oder nein?

Die so genannten Ausfraßschäden durch Fischfresser sehen die Teichwirte naturgemäß nicht gerne und hoffen auf Abschussgenehmigungen. Landesfischermeister Karl Gravogl sagte kürzlich zur Situation: “Derzeit liegt der Bescheid, der eine Entnahme von 40 Fischottern in Niederösterreich erlauben würde, beim Landesverwaltungsgericht, da mehrere Beschwerden eingebracht wurden. Die Entscheidung ist noch offen.” NGOs wie der WWF sehen die Abschüsse kritisch. „Der Fischotter ist eine Tierart, die sich durch das Angebot an Lebensraum und Nahrung reguliert. Wird ein Fischotter abgeschossen, zieht der nächste in das freie Territorium nach“, sagt Artenschutz-Expertin Christina Wolf-Petre. Abgesehen davon nennt die NGO Tierschutz-Gründe. Angeschossene Tiere könnten ins Wasser flüchten und dort qualvoll sterben. Stattdessen plädiert man für Schutzmaßnahmen wie Einzäunungen, die Trockenlegung von Teichen im Winter, gut gesicherte Hälterungen und Abschreckung durch Lärm oder Düfte. Einig wird man da nicht so schnell werden.

Die Teichwirte sehen sich unter Druck

Dann gibt es da noch  rechtliche Rahmenbedingungen mit überbordendem Bürokratismus beim Wasserrecht, die Naturschutzauflagen oder das Aquakulturseuchenrecht. “Jeder Österreicher will gerne heimischen Fisch am Teller haben. Geht es aber darum, bestehende verlandete Teiche wieder zu entschlammen oder neue anzulegen, so stößt man oft auf Unverständnis und kaum zu bewältigende Auflagen”, sagt Teichwirte-Obmann Ferdinand Trauttmansdorf. Johannes Schmuckenschlager, Präsident der niederösterreichschen Landwirtschaftskammer meint, es brauche neben einem praktikablen Fischottermanagement “Strategien für die Folgen des Klimawandels, die sich auch in der Teichwirtschaft bemerkbar machen”. Wärmer werdende Teiche und fehlender Niederschlag sind dabei allerdings nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite können Teiche als Wasserspeicher künftig eine wertvolle Funktion übernehmen. Die Auszeichnung durch die FAO als Kulturerbe könnte mehr Bewusstsein schaffen. “Österreich hat bisher keine Region mit diesem Status. Andere EU-Länder sind da mittlerweile schon weiter, etwa Spanien oder Italien”, so Trautmannsdorff und Schmuckenschlager. Begleitet wird die Einreichung als Kulturerbe von einer Masterarbeit an der Boku. Autorin Stephanie Salzmann widmet sich dabei der Fragestellung, ob die hochgesteckten Anforderungen an das Produktionssystem durch die Waldviertler Karpfenteichwirtschaft auch erbracht werden können. “Erste Recherchearbeiten weisen klar in die Richtung, dass die Auszeichnung erreicht werden kann. Besonders hervorzuheben ist dabei die starke Verbundenheit und Identifikation einer ganzen Region mit seinen Teichen, die auch durch die lange Geschichte und Tradition gestärkt wird”, so Salzmann. Wir gratulieren schon mal!

Die Karpfenzucht Die Karpfenzucht in Teichen ist eine der ältesten Methoden der Fischproduktion. Die Urheimat des Karpfens ist vermutlich Kleinasien und es wird angenommen, dass Karpfen über das Schwarze Meer und die Donau in Mitteleuropa eingedrungen sind. Bis ins Mittelalter waren Seen und Flüsse ihre natürlichen Lebensräume. Danach nahm, im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Christentums, die Karpfenzucht in Teichen stark zu. Im Jahr 1280 wurden im Urbar des Stiftes Zwettl erstmals Teiche erwähnt.

Der Waldvierter Karpfen ist seit 1999 eine geschützte Marke. Die meisten Karpfen (etwa 90 Prozent) werden gemäß dem Schutzmarkenprogramm „Waldviertler Karpfen“ produziert, nur zirka 10 Prozent außerhalb. Das Programm legt fest, dass die Karpfen im Waldviertel geboren, aufgezogen, geschlachtet und verarbeitet werden müssen (Herkunftsnachweis). Die Karpfen werden artgerecht gehalten. Die Anzahl der Karpfen pro Teich ist limitiert, sodass jeder Karpfen etwa 20 m² als Lebensraum hat. Ergänzende Futtermittel bestehen hauptsächlich aus regionalem Getreide, Fertigfuttermittel dürfen nur im begrenzten Umfang eingesetzt werden. Karpfen, die unter biologischen Richtlinien produziert werden, werden mit biologischen Futtermitteln gefüttert. http://www.waldviertler-karpfen.at