Zwei Uhr morgens. Arbeitsbeginn in der Backstube. Für Hermine Wiegele ist das seit über 60 Jahren Arbeitsalltag.

Wäre da nicht diese Leidenschaft für Brot, dieser Duft und die unvergleichliche Magie, einer Stimmung aus Müdigkeit und Präzision, die in der Backstube herrscht; die heute 78jährige Bäckerin würde sicher nicht mehr an fünf Tagen pro Woche in ihrer Backstube stehen. Für Hermine Wiegele ist Brot ein Geschenk der Natur, mit dem man nicht achtlos umgehen darf. Es ist mehr als die Summe seiner Zutaten, also Mehl, Wasser und Salz. Es ist Kulturgut und Grundnahrungsmittel, es weckt Emotionen. Brot backen geht nicht schnell, Brot braucht Zeit. Qualität erklärt sie mit Worten wie Langzeitteigführung, Handwerk, Holzofen, … Und dann gibt es noch Krusten, die aufbrechen – also „fenstern“.

 

Zauberwort Vorteig

Ein Brot, das geschmacklich nicht nur frisch, sondern über mehrere Tage überzeugen soll braucht einen Reifeprozess von bis zu vierundzwanzig Stunden. Der Teig ruht über Nacht und wird dann am nächsten Morgen, also früh morgens, in die Brotform gebracht und gebacken. In diesem Fall spricht man von einer Übernachtführung. Dieses Verfahren lässt sich jedoch nur anwenden, wenn mit sehr hellem, kleberstarkem Weizenmehl gearbeitet wird. In einem dunkleren und stark gesäuerten Teig würde das Klebereiweiß so stark geschädigt, dass am nächsten Tag der Teig zwar sehr aromatisch, aber nicht mehr locker wäre. Aus diesem Grund kennt das Bäckerhandwerk eine Vielzahl von Vorteigen und anderen Vorstufen, weiß die Bäckerin. Dabei wird rund ein Drittel des Mehls oder auch grobes Getreide sowie ein Teil Sauerteig schon Stunden vor der eigentlichen Teigzubereitung mit Wasser angesetzt. Mehl und Wasser verquellen und bilden Aromastoffe, die in dieser Vielfalt von keinem Backmittel künstlich erzeugt werden könnten. Hefezellen und Milchsäurebakterien vermehren sich. Alles was jetzt entsteht spielt später im Brot-Hauptteig eine wichtige Rolle. Dieser wird übrigens erst ca. zwei Stunden vor dem Backen zubereitet, also ab 2 h morgens.

Wie funktioniert Sauerteig?

Der Sauerteig wird von Milchsäurebakterien und Hefepilzen produziert, die natürlich in Weizen und Roggen vorkommen. Bei entsprechend warmer Temperatur, Feuchtigkeit sowie reichlich Sauerstoff beginnen die Mikroorganismen nach einiger Zeit Milchsäure und Essigsäure sowie Kohlendioxid zu bilden. Das Kohlendioxid lockert den Teig und lässt ihn aufgehen, während die Säuren ein Milieu schaffen, in dem alle unerwünschten Keime absterben, wodurch sich Sauerteig selbst konserviert.

Auch deshalb sind Sauerteigbrote länger haltbar und weniger anfällig gegen Schimmel als klassische Germteig-Backwaren. 

Sauerteig liebt gleichbleibende Bedingungen und kann Veränderungen nur schwer ertragen. Er braucht – wenn er zu arbeiten beginnt – regelmäßig Mehl und Flüssigkeit. Bäcker wie Hermine Wiegele haben die Teigführung im Griff. Sie spüren ob der Teig noch Zeit, Flüssigkeit oder Mehl braucht, ob noch nachjustiert werden muss. 20 bis 24 Stunden braucht es, bis ein Sauerteigbrot ofenfertig ist. Bei Verwendung von Kunstsauer sind es übrigens nur noch drei bis vier Stunden. 

Aber was macht nun einen guten Sauerteig aus? Die lange Zeit, die der Natursauerteig braucht, ist entscheidend für den Geschmack und auch die Bekömmlichkeit des Brotes. Brotbacken ist keine Kunst, so Hermine Wiegel. Es braucht nur Gefühl und Geduld.

 

 

 

Aufbewahrung von Brot:

  • Brot gehört nicht in den Kühlschrank. Feuchtigkeit wird entzogen, das Brot wird schnell altbacken und trocken.
  • Brot nicht luftdicht verpacken! Der ideale Aufbewahrungsort ist trocken und sauber, um die 18°C – bestens geeignet sind dafür Brotkästen aus Holz bzw. Steinguttöpfe.
  • Wichtig ist die sorgfältige Reinigung des Brotbehälters – am besten mit Essigwasser. Alte Brotreste und Krümel sollten alle 2 – 3 Tage entfernen werden.
  • Wenn Brot einmal zu schimmeln begonnen hat, sollte es zur Gänze weggeworfen werden!

Die Wiegele Mühle in Nötsch ist die letzte aktive Mühle im Kärntner Gailtal und seit 1876 in Familienbesitz. Spezialitäten der Bäckerei sind das Bioroggen- sowie Dinkelbrot, das Gailtaler Weizenkeimbrot sowie das klassische Bauernbrot aus naturreinen und in der eigenen Mühle gemahlenen Mehlen. 

www.wiegelehaus.at