Die beliebten Gurkerl in mühsamer Handarbeit zu ernten, das soll bald vorbei sein. Statt dessen kommt künftig ein Roboter zum Einsatz.

Gurkenflieger werden die Fahrzeuge genannt, auf denen bis zu 50 Erntehelfer im Einsatz sind. © ATB

Mögen Sie Essiggurkerl? Ja? Kennen Sie Gurkenflieger? Nein? Das ist vermutlich besser so. Denn dabei handelt es sich um landwirtschaftliche Fahrzeuge mit angebauten Tragflächen, auf denen bäuchlings bis zu fünfzig Erntehelfer liegen, die die Gurkerl pflücken. Das ist nicht nur eine aufwändige, sondern auch kräftezehrende Arbeit. Und unwirtschaftlich dazu. Da liegt es nur nahe, dass sich der Gurkenanbau bereits nach Osteuropa und Indien verlagert. Was könnte dem Einhalt gebieten? Verbesserte Erntetechnologien. Dieser Herausforderung haben sich Wissenschaftler aus Spanien und Deutschland zusammen mit Experten des Fraunhofer IPK in Berlin angenommen. Sie alle arbeiten in einem EU-Projekt namens CATCH,  – kurz für “Cucumber Gathering – Green Field Experiments” am Automatisierungspotenzial der Gurkenernte und entwickeln ein aus Leichtmodulen aufgebautes kostengünstiges Dual-Arm-Robotersystem.

13 Gurkerl pro Minute

Die Ansprüche an den Ernteroboter sind hoch: Er soll kostengünstig, leistungsstark und zuverlässig sein. Wind und Wetter dürfen ihn nicht daran hindern, erntereife Gurkerl zu erkennen und sie mit seinen Greifarmen zu pflücken und abzulegen. Wetterresistenz und taktiles Feingefühl hat er dank modernen Steuerungsverfahren bereits. Und er kann menschliche Bewegungen imitieren. Schließlich soll er keine Pflanzen beschädigen oder gar mit den Wurzeln aus der Erde ziehen. Das alles hilft aber nichts, wenn der automatisierte Erntehelfer nicht mindestens so effektiv ist, wie die Pflücker. Und die schaffen, sind sie geübt, bis zu 13 Stück pro Minute.

Der Prototyp des Dual-Arm-Robotersystems bei ersten Feldtests. ©Fraunhofer IPK

Große Herausforderung

Was einfach klingt, ist eine Riesensache für Roboter. Zum taktilen Erfassen, Beurteilen und Bewerten kommt bei der Gurkenernte noch, dass grüne Objekte in einem grünen Umfeld geortet werden müssen, dass die Früchte ungeordnet auf dem Feld wachsen, Blätter sie mitunter zudecken und die Lichtverhältnisse sich ändern. Um die Gurken zu lokalisieren und die Greifarme des Roboters an die richtige Stelle zu dirigieren, braucht es Multispektralkameras und intelligente Bildverarbeitung. Ein spezielles Kamerasystem gewährleistet, dass die Gurken mit einer hohen Trefferquote von etwa 95 Prozent registriert und lokalisiert werden. Geplant ist jedoch, alle reifen Gurken zu pflücken, um das Wachstum der neuen, nachwachsenden Gurken nicht zu behindern.

Suchen nach menschlichem Vorbild

Das Fraunhofer IPK hat Roboterarme mit je fünf Freiheitsgraden entwickelt. Aktuell gibt es drei Prototypen: einen Greifer auf Basis von Vakuum-Technik, einen bionischen Greifbacken und eine auf Basis der OpenBionics Robot Hand modifizierte “Gurken-Hand”. Die Forscher greifen dabei auf ein anderes Projekt zurück, in dem eine Dual-Arm-Robotersteuerung für einen humanoiden Roboter für die industrielle Montage entwickelt wurde. Dessen Steuerung wird jetzt für die Planung, Programmierung und Regelung des Roboterverhaltens bei der Gurkenernte erweitert. Die vorprogrammierten Verhaltensmuster ermöglichen dem Roboter das bi-manuelle Suchen der Gurken nach menschlichem Vorbild: “So kann er Blätter beispielsweise durch symmetrische und asymmetrische oder kongruente und inkongruente Bewegungen zur Seite schieben. Auch ein automatisches On-the-Fly-Bewegungswechseln, um sich einer identifizierten Frucht zu nähern und sie dann zu greifen, ist damit gegeben”, sagt Wissenschaftler Dragoljub Surdilovic. Zufrieden werden die Forscher dann sein, wenn sie dem automatisierten Gurkenerntehelfer eine intelligente Steuerung mit “Urteilsvermögen” verpasst haben, die die Aufgaben zwischen den Greifarmen verteilt, den Pflückprozess überwacht und Ausnahmen behandeln kann. Die ersten Feldtests sind übrigens positiv verlaufen und haben die grundlegenden Funktionen bestätigt. Aktuell laufen weitere Experimente im Glashaus. Nach Abschluss dieser Tests soll der Leichtbauroboter zur Marktreife geführt werden.