Der 1. Mai ist nicht nur Tag der Arbeit. An diesem Tag wird auch das heimische Soja gefeiert. Immerhin ist Österreich der fünftgrößte Sojaproduzent Europas.

Sojabohnenfeld mit grünen Sojabohnen in Österreich. ©Sojarei

Machen wir eine kleine Zeitreise. Beamen wir uns zurück zum 1. Mai 1873. Gerade wird die Weltausstellung im Wiener Prater eröffnet. Mit dabei ist Friedrich Haberlandt, Rektor der kaiserlich-königlichen Hochschule für Bodenkultur, aus der später die heutige Boku hervorging. Er trifft auf eine japanische Delegation, die ihm eine Handvoll Sojabohnen überreicht. Die kleinen Bohnen interessieren den Wissenschaftler. Er sieht darin  nicht weniger als das Potenzial für eine Ernährungsrevolution – und Hoffnung für Hungerleidende. Sofort führt er systematische Anbau- und Adaptionsversuche an 129 Versuchsflächen durch, die sich von der Schweiz bis nach Griechenland im Süden und Russland im Osten über den Kontinent erstrecken. Wie besessen ist er davon, den Anbau Europa zu fördern. Dazu nutzt er sein persönliches Netzwerk, diskutiert intensiv und sorgt dank der bahnbrechenden agrarwissenschaftlichen Forschung dafür, dass die Sojabohne tatsächlich in vielen Regionen Europas erfolgreich kultiviert wird. „Die Acclimation der frühreifenden Sojabohnen in Mitteleuropa kann als völlig gelungen bezeichnet werden“, stellte er daraufhin stolz fest.

Was er aber nicht mehr erlebte, war die Aufnahme der nährstoffreichen Kulturpflanze in die österreichische Landwirtschaft und eine Integration in die menschliche Ernährung. Wie so oft, kam der frühe Tod dazwischen. In seinem Fall durch einen Wanderunfall 1878. Ohne den beherzten Vorkämpfer Haberlandt geriet das Thema dann lange in Vergessenheit in Europa.

Soja lässt Roggen und Raps hinter sich

Doch auch scheinbar vergessenes Wissen kommt irgendwann wieder an die Oberfläche. Spätestens dann, wenn es eine zukunftsfähige Eiweiß-Strategie braucht. Und um die geht es heutzutage mehr denn je. 2018 startete das Europäische Parlament die Initiative zur Erstellung eines Proteinplans, um den Selbstversorgungsgrad mit pflanzlichem Eiweiß in der EU zu erhöhen. Rumänien will während seines EU-Vorsitzes einen Fokus auf das Thema legen. Und das heimische Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus ist gerade dabei, eine österreichische Eiweißstrategie zu erarbeiten. Da passt es ganz gut, dass Soja mit fast 68.000 Hektar Anbaufläche in Österreich heute hinter Weizen, Mais und Gerste bereits auf Rang vier liegt. „Im Zeitraum von 2004 bis 2018 haben sich die Soja-Anbauflächen mehr als vervierfacht. Damit hat Soja traditionell wichtige Kulturen wie etwa Roggen oder Raps längst hinter sich gelassen,“ konstatiert Karl Fischer, Obmann des Vereins Soja aus Österreich. Was ihn persönlich daran freut? “Auf 29 Prozent der österreichischen Sojaflächen arbeiten die Landwirte nach Kriterien des biologischen Landbaus. Das ist der höchste Wert in Europa.”

In Zahlen ist die inländische Sojaproduktion in der genannten Zeit von 45.000 Tonnen auf knapp 190.000 Tonnen jährlich gestiegen. Damit sind wir heute der fünftgrößte Sojaproduzent Europas und liefern acht Prozent der gesamten EU-Sojaernte. Und das, obwohl die heimische Fläche, auf der Soja angebaut wird, nur zwei Prozent der EU-Ackerfläche beträgt. Aber nicht nur das. Aus Österreich kommt auch ein Viertel des in der Union verwendeten gentechnikfreien Soja-Saatgutes. Klassisch gezüchtet wird in Reichersberg in Oberösterreich und Gleisdorf in der Steiermark. “Dort werden neue Sojasorten entwickelt, die sich besonders für die gemäßigten Klimazonen in Europa eignen”, erläutert Fischer.

Die Hälfte der Ernte wird zum Lebensmittel

Während weltweit 80 Prozent der Sojaproduktion als Eiweißfuttermittel in die Tierfütterung geht und in den Hauptanbauländern USA, Brasilien und Argentinien riesige Flächen gerodeten Regenwaldes hinterlässt, wird die Hälfte der heimischen Sojaernte zum Lebensmittel. Damit ist man europäischer Spitzenreiter bei der Produktion und Verarbeitung von gentechnikfreiem Lebensmittelsoja. Als Konkurrenz zu Fleisch oder Milch sieht Fischer Soja aber nicht. “Es geht nicht um die Frage ‘Soja oder Fleisch?’, sondern um die Frage ‘Wo kommen mein Tofu und mein Schnitzel her?'”, sagt er. Man wolle Sojaprodukte ganz bewusst nicht als Fleisch- oder Milchersatz positionieren, sondern als eigenständige Lebensmittelgruppe, die den Speiseplan um pflanzliche Eiweißquellen aus Österreich bereichere. Freilich gibt es auch Kritik an Soja. Es soll der Schilddrüse schaden, Allergien hervorrufen oder Bruskrebspatientinnen schaden. Angela Mörixbauer, Ernährungswissenschafterin, hat sich genau damit beschäftigt und 2019 einen Fachartikel zum Thema “Soja, Sojaisoflavone und gesundheitliche Auswirkungen” publiziert. Ihre Conclusio: “Oft wird einseitig recherchiert, Fakten werden widersprüchlich zur Originalquelle angegeben, oder die zitierte Literatur ist veraltet.” Ein häufiger Fehler sei, dass Ergebnisse aus Tierexperimenten oder Laborversuchen eins zu eins auf den Menschen übertragen werden. “Das ist sehr oft der Grund für Falschbehauptungen.“

http://www.donausoja.at

http://www.soja-aus-oesterreicha.at

Sie wollen mehr über Soja wissen? Dann sind Sie im Wiener Volkskundemuseum richtig:
Soja. Wissen – Gesellschaft – Stadt, Forschungs- und Vermittlungsprojekt
Soja boomt und Soja ist – sobald man sich damit beschäftigt – überall. Die mit dem Gebäude des Volkskundemuseums verwobene Geschichte von Soja in Europa und Wien ist der Ausgangspunkt, sich auf unterschiedlichen Wegen dem historischen wie gegenwärtigen Phänomen Soja zu nähern. Ab 2019 wird am Museum in diversen Formaten Soja als gesellschaftliches wie wissenschaftliches Querschnittsthema erkundet, präsentiert und an jenem urbanen Ort thematisiert, an dem alles begann. (im Bild Friedrich Haberlandt; In: Gottlieb Haberlandt: Erinnerungen, Berlin 1933, S. 14.) http://www.volkskundemuseum.at