EU-Agrarkommissar Phil Hogan twitterte es in die Welt. Die EU hat sich gestern in letzter Minute über die Richtlinie zu den unfairen Handelspraktiken geeinigt. Die strittigsten Punkte sind vom Tisch. Es herrscht vorweihnachtlicher Friede.

©European Communities, 1992/Photo: Jacques Simon

Was keiner mehr geglaubt hätte, ist passiert. Rechtzeitig vor Weihnachten wurde man sich nach einem letzten Vorstoß von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger doch noch unter österreichischem Ratsvorsitz einig über die EU-Richtlinie  zu den Unfairen Handelspraktiken. Dabei lagen die Verhandlungen nach fünf Trilogen eigentlich schon auf Eis. Und daran waren nicht die Punkte schuld, die die höchsten Wellen geschlagen hatten. Denn die erledigten Köstinger, die für den Ratsvorsitz verhandelte, und EU-Berichterstatter Palo de Castro als Vertreter des EU Parlaments eigentlich schnell.  Befanden beide doch schon Ende November: Einkaufsgenossenschaften und mehr Geld für Tierschutz fallen nicht unter die “unfairen Handelspraktiken”.

Genossenschaften und Tierschutz kein Thema mehr

Das heißt im Klartext: Für genossenschaftlich organisierte Unternehmen wie Rewe und Edeka ändert sich gar nichts. Sie dürfen auch künftig gemeinsam einkaufen. Selbiges gilt natürlich auch für internationale Handelsallianzen wie AgeCore, Coopernic & Co . Weiter erlaubt bleibt auch, dass der Handel von Bauern Tier- und Umweltschutzstandards fordert, die über dem gesetzlichen Niveau liegen. In diesem Punkt gaben sich die beiden Verhandlungsführer besonders einig: „Für uns ist klar, dass es die Möglichkeit zu höheren Qualitätsstandards auch in Zukunft geben muss. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, dass Bauern für höhere Qualitätsstandards eine entsprechende Abgeltung bekommen müssen“, erklären sie.

Streitpunkt Großkonzerne geklärt

Deal oder No-Deal, das hing bis zuletzt am Geltungsbereich der Richtlinie. Die EU-Kommission plädierte ursprünglich dafür, dass Genossenschaften und bäuerliche Gemeinschaften mit einem Umsatz von bis zu 250 Millionen Euro jährlich künftig die anonyme nationale Beschwerdestelle gegen unfaire Handelspraktiken nützen können – eine Behörde übrigens, die die EU Staaten erst schaffen müssen. Dem EU-Parlament war das zuwenig, dort setzte man sich für eine Ausweitung auf eine Milliarde Euro ein, um alle Anbieter unabhängig von der Größe zu schützen. Geeinigt hat man sich nun auf 350 Millionen Euro Jahresumsatz. Damit sind rund 90 Prozent der Anbieter von Agrarrohstoffen und Lebensmitteln abgedeckt, die Lebensmittelkonzerne aber ausgeschlossen. Gelten soll die Richtlinie auch für Produzenten und Lebensmittelhändler in Drittländern, sprich die Schweiz und Großbritannien (nach dem Brexit). Beschweren können sich Lieferanten künftig auch im eigenen Land, nicht nur im Land des Käufers, wie von der EU-Kommission propagiert. Abgesehen davon wird es alternative Streitbeilegungsmechanismen geben. Und die EU-Kommission soll eine öffentliche Website zur Unterstützung von Beschwerdeführern einführen.

Noch mehr Verbote

Die Liste der unfairen Handelspraktiken selbst wurde gegenüber dem Kommissionsvorschlag schließlich noch einmal deutlich verlängert. Konkret müssen verderbliche Lebensmittel jetzt nach 30 Tagen, länger haltbare nach 60 Tagen bezahlt werden. Nicht mehr möglich sind künftig kurzfristige Stornierungen, Abzüge für unverkaufte Ware und einseitige Vertragsänderungen. Und es wird Schiedsstellen für Streitfälle geben, die  übrigens auch anonyme Vorwürfe prüfen, und im Fall des Falles Strafen verhängen.