Der umstrittene Unkrautvernichter wird hierzulande wohl verboten. Die ÖVP ist dagegen, die Industrie verärgert. Und es gibt eine Unbekannte: die EU

Glyphosat Panthermedia

Dieses Bild wird bald Vergangenheit sein, jedenfalls was den Unkrautvertilger Glyphosat betrifft.

Es hat sich vielleicht bald mit dem Spritzen von Glyphosat in Österreich. Und zwar generell. Jedenfalls darf davon ausgegangen werden. In der EU noch bis 2022 erlaubt, scheint Österreich jetzt vorzupreschen. Und das kam so: Zuerst hat die SPÖ einen entsprechenden Antrag im Nationalrat eingebracht, gestern hat die FPÖ dann ihre Unterstützung angekündigt. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Pamela Rendi-Wagner freut’s. Für sie ist das Pflanzengift nämlich “höchstgefährlich” und der Ärger über die Blockaden der bisherigen Vorstöße war groß. Jene “denen die Interessen der Agrochemie-Konzerne wichtiger waren als die Gesundheitsinteressen der Menschen” sind jetzt jedenfalls in der Minderzahl.  FPÖ Klubobmann Hofer gehört nicht dazu. Er ist voll auf Linie, spricht von verantwortungsvoller Umweltpolitik, und sagt: “Es gibt genügend Studien, in denen die Gefahr, die Glyphosat für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen hat, ausreichend belegt werden.”

Glyphosat tötet jede nicht gentechnisch veränderte Pflanze

Tatsächlich stuft nicht nur die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Glyphosat als “wahrscheinlich krebserregend” ein. Die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) beschreibt auch negative Auswirkungen auf die Ökosysteme. Allem voran tötet Glyphosat als Totalherbizid jede nicht gentechnisch veränderte Pflanze auf dem gespritzten Feld ab. Die gleiche Wirkung wie auf Pflanzen hat es auch auf Bakterien. Forschungen an der Universität für Bodenkultur (BOKU) haben zudem eine Schädigung der Fortpflanzung von Regenwürmern durch glyphosathaltige Produkte festgestellt. Nicht zuletzt wird Glyphosat als eine der maßgeblichen Ursachen für das weltweit zu beobachtende Amphibiensterben angesehen. 2013 bis 2018 untersuchte die heimische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) 1.714 amtliche Lebensmittelproben auf Glyphosat – Getreide, Hülsenfrüchte, Ölsaaten, Honig, Obst, Gemüse und sonstige Produkte. 34 Prozent davon stammten aus Bio-Anbau. Von den untersuchten konventionellen Produkten enthielten acht Prozent bestimmbare Glyphosat-Rückstände. Vor allem betroffen waren Linsen und Leinsamen. Die Probe eines konventionellen Honigs aus 2017 überschritt sogar den gesetzlichen Rückstandshöchstgehalt von 0,05 mg/kg.

ÖVP will nur sensible Bereiche glyphosatfrei halten

Zum Verbot wird es auch ohne ÖVP-Zustimmung kommen. Die wird ausbleiben. Auch das ist schon klar. Sie bringt nämlich einen eigenen Antrag ein, der nur ein Teilverbot vorsieht. Nur Kindergärten und andere sensiblen Bereiche wie Schulen sollen künftig glyphosatfrei sein, geht es nach dem Willen der ÖVP.

Glyphosat-Facts

  • Glyphosat ist das weit verbreiteste Unkrautvernichtungsmittel der Welt. Es ist ein Breitbandherbizid und tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den Herbizideinsatz überlebt.
  • Es ist in mehr als 160 Ländern zugelassen und wird in riesigen Mengen in der Landwirtschaft eingesetzt. In Österreich wird Glyphosat auf 32 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt.
  • 338.000 Kilo wurden 2014 (letze Zahlen) in Österreich verkauft, das sind umgerechnet 2.414 Badewannen.
  • Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Glyphosat 2015 als “wahrscheinlich krebserregend” ein. “2A” ist die zweithöchste Gefahrengruppe.

Bauernbund-Obmann Georg Strasser argumentiert mit rechtlichen Gründen. Das Total-Verbot, sagt er, sei nicht EU-konform. Auch die Industrie Gruppe Pflanzenschutz (IGP) kann einem Verbot naturgemäß wenig abgewinnen. Aus dieser Ecke heißt es, den Antrag zu unterstützen, gehe “zulasten von Umwelt und Landwirtschaft”. Glyphosat sei ein nicht weg zu denkender Wirkstoff, vor allem bei bodenerhaltenden Anbauweisen. Pflüge man statt dessen, brauche es ein bis drei Bearbeitungsgänge, um eine ähnliche Wirkungsäquivalenz zur Bekämpfung von Unkraut zu erreichen. Die Folge wären eine Zunahme von Bodenerosion und von CO2-Emissionen durch vermehrte Überfahrten. Im Übrigen gäbe es weniger Ertrag mit schlechterer Qualität. Ganz anders sehen das die NGOs. Bei Global 2000 ist man quasi euphorisch und führt den Erfolg auch auf die 1,3 Millionen europäischen Unterzeichner der Bürgerinitiative “Stopp Glyphosat” zurück. Die Bauern müssten jetzt allerdings Hilfe zum Umstieg bekommen, sagt Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden. Zufriedenheit herrscht auch bei Greenpeace. Deren Landwirtschaftsexperte Sebastian Theissing-Matei sprach von einer überfälligen Entscheidung. Wie geht es jetzt weiter? Eine Abänderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes ist schon in der Sitzung des Nationalrates am 2. Juli möglich. Die verbleibende Zeit muss dafür genutzt werden, um alle europarechtlichen Details einzuarbeiten. Europarechtsexperte Walter Obwexer allerdings sicher, dass das ganze Vorhaben nicht klappt. Er sagt, die einzelnen Mitgliedsländer – oder auch Regionen – können nur in absoluten Ausnahmefällen ein Verbot von zugelassenen Wirkstoffen verhängen. Zwei Bedingungen müssen dabei erfüllt werden. Es müssten neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegt werden, die bei der Zulassung von Glyphosat 2017 nicht bekannt waren. Und es müssten spezielle Probleme etwa für Umwelt oder Gesundheit nachgewiesen werden, die es nur in Österreich, aber in keinem anderen EU-Staat gibt. “Keine dieser beiden Voraussetzungen ist erfüllbar, es bräuchte aber beide”, so Obwexer.

Lesen Sie zum Thema auch: Kein Glyphosat in jeder dritten Gemeinde und Pestizid-Alternative aus Tirol