In den Supermarkt-Regalen finden sich Heurige aus Österreich, die bei genauerem Hinsehen gar keine sind, sagt die Landwirtschaftskammer.

Heurige Kartoffeln

So sehen sie aus, die heimischen Heurigen: Dünnschalig und fein schmeckend. © LK Steiermark

Die Erdäpfel-Spürnasen der Landwirtschaftskammer waren unterwegs. Und ihnen stößt sauer auf, was sie in den heimischen Supermarktregalen vorgefunden haben. Dort entpuppen sich auffällig ausgelobte Heurige nämlich immer wieder als ausländische Spätkartoffel. Dabei haben beide so gar nichts miteinander gemein. “Heurige sind dünnschalige und feinschmeckende Erdäpfel der neuen Ernte, aber keinesfalls festschalige Spätkartoffelsorten, selbst wenn Erdäpfel der neuen Ernte gesetzlich bis 10. August als Heurige bezeichnet werden dürfen”, sagt Landwirtschaftskammer-Direktor Werner Brugner. Um die einen von den anderen unterscheiden zu können, brauche es schön langsam detektivische Kenntnisse. Denn auch die tatsächliche Herkunft würde trickreich verschleiert. Und zwar so:

„Der meist österreichische Abpacker wird in großen Lettern angegeben, das Herkunftsland ist klein geschrieben und erst nach längerem Suchen auffindbar.“

Klimafeindliche Spätzünder

Dass dem heimischen Lebensmittelhandel ausländische Kartoffel doppelt so viel wert wie heimische Heurige, kommt noch dazu. „Während er Anfang Juni für israelische Importkartoffel pro Kilo 90 bis 95 Cent bezahlte, hatten die heimischen Erdäpfel-Produzenten das Nachsehen. Magere 40 Cent werden den heimischen Erdäpfelbauern trotz nachweislich höherer Produktionsstandards bezahlt“, so die Markt-Checker der Landwirtschaftskammer. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der heimischen Produzenten und zeigt die unfairen Geschäftspraktiken auf“, sagt Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher. Er fordert den Handel auf, „den heimischen Erdäpfelbauern die gleichen Preise zu zahlen wie Anfang Juni den ausländischen Herstellern.“ Im Übrigen seien Kartoffeln aus Ägypten aufgrund der langen Transportwege klimaschädlich und sozial unverträglich. 4.100 Kilometer sind die späten Ägypter gereist. Dem gegenüber stehen etwa heimische Heurige aus dem Grazer Feld, die im Schnitt nur 30 Kilometer bis zum Regal zurücklegen.

Sozial problematische Geschäfte mit Drittstaaten

Dem Ganzen die Krone setzt auf, dass für die Ägypter selbst Erdäpfel kaum leistbar sind. Ein
Kaufkraftvergleich gemäß Big Mac-Index verdeutlicht die Dimension: Gemäß ägyptischen Bedingungen müssten Herr und Frau Österreicher kaufkraftbereinigt für ein Kilo heimische Heurige um 140 Prozent mehr zahlen: Statt einen Euro sollten die Verbraucher dann 2,40 Euro auf den Ladentisch legen müssen. Darüber hinaus sind in Ägypten und Israel die Produktionsstandards deutlich niedriger. Dort sind Pflanzenschutzmittel erlaubt, die hierzulande längst verboten sind. Von den Vertretern der österreichischen Supermarktketten kam bis Redaktionsende leider keine Stellungnahme.

Store-Check der Landwirtschaftskammer Die steirische Landwirtschaftskammer hat im März, April und Mai den Erdäpfel-Store-Check durchgeführt. Insgesamt wurden 30 Proben namhafter Lebensmittelketten gezogen. 18 Proben stammten aus Österreich, sieben aus Frankreich, drei aus Ägypten und zwei aus Israel.
Store-Check der Landwirtschaftskammer.

Die Heurigen-Saison ist in der Steiermark voll angelaufen und dauert noch bis 10. August, danach folgt die Speisekartoffel-Saison. Heurige sind feinschmeckende, fast schalenlose Erdäpfel mit kurzer Kochzeit und eine begehrte Delikatesse. Insgesamt kultivieren etwa 100 steirische Erdäpfelbauern auf 400 Hektar Speiseerdäpfel, davon etwa 100 Hektar Heurige. Die steirischen Hauptanbaugebiete sind das Grazer Feld, das Aichfeld im oberen Murtal, Teile des Mürztales sowie einzelne Gebiete im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld. Professionell angebaut werden Erdäpfel auch im nördlichen Teil des Bezirkes Weiz, in Liezen sowie teilweise im Bezirk Leibnitz.