Bereits heute verbrauchen wir mehr Weizen, als wir ernten. Für Pastaliebhaber bedeutet das nichts gutes. Aber gibt es esstechnische Alternativen?

Gewöhnen Sie sich an den Gedanken, dass der Tag kommen könnte, an dem der Pasta-Genuss zum Luxusgut wird. Schon 2018 ist etwas zur Realität geworden, das nachdenklich machen sollte: erstmals haben wir mehr Weizen verbraucht, als geerntet wurde. Es hieß, an die Lagerbestände gehen. Dafür verantwortlich? Missernten, resultierend allem voran aus dem Klimawandel. Russland hat 18 Prozent, die EU 10 Prozent und Australien 22 Prozent weniger Weizen geerntet. Laut Weltwetterorganisation (WMO) das viertwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts. 2019 hat das noch getoppt. In Österreich hatten wir alleine den wärmsten Juni der Messgeschichte. Was passiert, wenn das Wetter so verrückt spielt? Arche Noah Gartenleiter Franco Baumeler erklärt das so “Mit Ausbleiben eines Frühjahres und der darauf folgenden Trockenheit gibt es nur minimale Erträge.” Ihm hat schon die letztjährige Ernte zu denken gegeben. Gefahr droht zudem noch aus einer ganz anderen Ecke: Der der Insekten. Die werden im Zuge der Klimaerwärmung hungriger, wie eine Gruppe um den Biologen Curtis Deutsch von der Washington University nachwies. Pro Grad Erderwärmung können die durch Schädlinge verursachten Ernteausfälle um bis zu ein Viertel steigen, bei zwei Grad bis Ende des Jahrhunderts wären das um bis zu 46 Prozent mehr zerstörter Weizen als heute.

Wie geht es weiter?

Nicht gut, wenn man den gerade publizierten Prognosen eines Forscherteams unter österreichischer Beteiligung glauben darf. Fast zwei Drittel der weltweiten Weizenanbaugebiete könnten in Zukunft zeitgleich von Trockenheiten heimgesucht werden. Selbst wenn die Erderwärmung um nicht mehr als zwei Grad steigt, verdoppelt sich das Risiko für gleichzeitige Dürren bis 2050. Die Forscher um Miroslav Trnka von der Uni Brünn haben das anhand von Modellen berechnet. Und zwar für die Gebiete, wo heute Weizen angebaut wird, unter der Voraussetzung, es gibt keine wirksamen Klimaschutzmaßnahmen. Das Szenario verheißt nichts Gutes. Bis Ende des Jahrhunderts hätten 60 Prozent der weltweiten Weizenanbaugebiete zugleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge ein Dürreproblem. Und wenn die Klimaziele von Paris eingehalten werden? Auch dann steigt das Risiko für gleichzeitige Dürren bis zur Mitte des Jahrhunderts von derzeit 15 auf 30 Prozent. Dass das ein Problem ist, liegt auf der Hand. Flächenmäßig ist Weizen das Getreife Nummer Eins weltweit. Ganze 20 Prozent der Nahrung, die Menschen essen, besteht aus Weizen. Dazu kommt noch, dass Weizen eigentlich schon wenig Wasser braucht und mit moderaten Mangelbedingungen gut zurecht kommt. Umgekehrt heißt das, es gibt kaum anspruchslosere Alternativen.

Könnten Gemüse-Exoten zu den neuen Grundnahrungsmitteln werden?

Da müsse man sich die Frage stellen, was Exoten eigentlich sind, sagt Arche Noah-Vertreter Franco Baumeler: “Auch Paradeiser, Paprika, Erdäpfel und Reis sind Exoten. Dennoch fassten sie alle bei uns Fuß.”  Das Exotische, sagt er, finde vielleicht mehr im Kopf statt und: “Unser Umgang mit Fremdem sagt womöglich viel aus über unsere Zugänge.” Baumeler gibt sich offener, als man das erwarten dürfte. Schließlich beschäftigt man sich bei der Arche Noah mit alten Sorten. Und alte Sorten sind in der Regel ausgeprägte Regionalsorten, die sich dort, wo sie lange gehegt und gepflegt wurden, an Standort und Klima angepasst haben.

Die Chayote, eine rankende Pflanze der Subtropen und Tropen, stammt aus der Familie der Kürbisgewächse. © Wikimedia

Er aber sagt: “Chayote, Yacon und Konsorten haben meines Erachtens ein großes Potenzial. Heute noch unbekannt, eines Tages aus den Gärten nicht mehr wegzudenken.” Insofern sei alles in Bewegung und er müsse Ordnungsliebende enttäuschen: “Denn es gibt keine Schubladen gegen die gärtnerische Neugier und die Herausforderungen unserer Zeit mit diesen Wetterextremen, so wie es keine gültigen Rundum-Per se-Antworten über alte Sorten gibt.”

Die südamerikanische Yacon gehört zur Famlie der Korbblütler und bildet essbare Wurzelknollen. © Wikimedia

Die wesentliche Eigenschaft sei die Plastizität einer Sorte. Das entspreche auch dem Arche Noah-Ansatz “Retten durch aufessen”, oder durch anbauen und im Zeitstrom halten, um nicht Sorten 50 Jahre lang tiefgefroren wo lagern und später herausnehmen. “Die Welt hat sich in all der Zeit nämlich weitergedreht.” Ein gutes Beispiel einer solchen plastischen Gattung sei Kohl: “Die Kohlgewächse erleben eine Renaissance, alte Sorten werden neu gekreuzt und es entstehen interessante Formen. Die Winterhärte der Palmkohl- und Grünkohl-Kreuzungen von Philipp Lammer aus unserer Sortenentwicklung war erstaunlich und lag bei mindestens 90 Prozent.” Im Übrigen dürfe man eines auch nicht unterschätzen: “Gemüse unterliegt Mode-Erscheinungen.” So sei etwa dem veganen Trend entsprechend aktuell Edamame (Anm.: Unreife Sojabohnen) stark im Kommen, plötzlich gäbe es Erdmandelmus und Aufstriche auf Lupinen-Basis oder aus der Speiseplatterbse. Insofern steht Baumelers Schlusswort für sich: “Das alles ist ein durchaus dynamisches Feld.”

Sie interessieren sich für die zitierte Studie? Die finden Sie hier: http://dx.doi.org/10.1126/sciadv.aau2406