Landwirt und Bio Austria-Experte Dominik Dax über die Suche nach einem transparenten Bezug zur Landwirtschaft, den Online-Einkauf und soziale Rahmenbedingungen.

Bauernladen.at: Wer online einkauft, der kann das rund um die Uhr ohne Betreuung tun –  eine gute Sache eigentlich  . . .

Dax: Stimmt, aber es braucht eine effiziente Gestaltung ohne unendlich lange Logistikketten. Die Kühlkette muss eingehalten werden, die Produkttransparenz gewährleistet sein, es darf nicht zu Produktverwechslungen kommen. Wie kommt das genau das, was ich bestellt habe, in sinnvoller Zeit, ohne Qualitätsverlust an und das auch noch zu sinnvollen Transportkosten: das ist die zentrale Frage, die man nicht auf einzelbetrieblicher Ebene lösen kann. Kooperationsprojekte sind ein Lösungsansatz, allerdings auf lokaler Ebene. Wenn gleich fünf Bauern auch in den Nachbarsbezirk liefern möchten, können sie einander abwechseln. FoodCoops und Genossenschaftsmodelle bestärken diesen Ansatz, jeder denkt mit, man kann sich auf jeden verlassen.

Bauernladen.at: Aber richtig viel Potenzial sehen Sie im Online-Verkauf nicht?

Dax: Der Durchbruch wird schon seit zehn Jahren prognostiziert, bleibt aber noch aus. Es gibt steigende Umsätze, aber die Marktanteile sind noch immer klein. Ich kann mir gut vorstellen, dass  Nullachtfünfzehn-Produkte künftig stärker online bezogen werden, ich kann mir nicht vorstellen, dass in zehn Jahren der Großteil von Obst und Gemüse online gekauft wird. Das Erleben von Produkten fällt damit weg. Viele gehen gezielt auf einen Bauernmarkt, weil sie das Umfeld mögen. Was funktioniert, sind Kombilösungen. Beispielsweise die Kunden jede Woche mit Käseprodukten zu beliefern und vier Mal im Jahr Käseführungen am Hof zu machen. Damit wird beides, die Sehnsucht nach direktem Bezug und die Effizienz abgedeckt. Dass der stationäre Handel bei Frischeprodukten verschwindet, glaube ich nicht. Das funktioniert nur bei Mineralwasser und Klopapier. Man geht nicht in ein Geschäft, um Klopapier zu erleben.

Bauernladen.at: Der Nährboden für Direktvermarktungs-Projekte, liegt der eigentlich eher im urbanen oder ländlichen Bereich?

Dax: Die Städter suchen die Nähe und den transparenten Bezug zur Landwirtschaft stärker. Wenn ich am Land aufwachse, ist der Drang nicht so groß, zu sehen, wie mein Bio Freilandschwein auf der Weide steht.

Bauernladen.at: Lauten die Fragen der Zukunft dann: Wie kann ich eine Stadt mit 100.000 Einwohnern aber mit klar strukturierten Modellen abdecken, wie große Distanzen überwinden?

Dax: Für mich ist die aktuell spannendste Frage: Wie bringt man Modelle, die im Kleinen funktionieren, in die Breitenwirksamkeit? In Österreich hinken wir da traditionell etwa ein Jahrzehnt hinterher. Trends aus den USA kommen über Großbritannien und Deutschland nach Österreich. In den USA gibt es jetzt schon FoodCoops mit über 5.000 Haushalten, in Österreich bewegen wir uns zwischen 50 und 150.  Ganz zu schweigen von Vorbildern wie Hansalim, einem genossenschaftlich organisierten Projekt in Südkorea, das 1,6 Millionen Konsumenten erreicht. Natürlich ergeben sich bei solchen Ausmaßen zusätzliche Fragen: Ausschließlich ehrenamtlich ist das nicht mehr zu Händeln. Da braucht es eine Kombi aus ehrenamtlich tätigen Menschen und anderen, die in einer Zentrale für organisatorische Tätigkeiten bezahlt werden. In der Logistik sind unter anderem Distanzen und die Kühlkette große Themen – es macht einen Unterschied, ob die Lieferung in eine Thermobox passt oder es um Mengen in LKW-Größen geht.

Bauernladen.at: Welche der vielen Modelle werden sich durchsetzen?

Dax: Ich glaube, die Vielfalt bleibt erhalten und wir brauchen sie auch: in der Landwirtschaft und in der Verteilung. Dennoch werden sich Modelle durchsetzen, die professionell organisiert sind. Zukunftsfähig sind Genossenschaften, die von Profis und Ehrenamtlichen gemeinsam betrieben werden und in Marketing, Logistik und Handel professionell sind. Ehrenamtliche Nischenprojekte werden als Speerspitzen überleben, und haben in kleinen Gemeinden und Kreisen ihre Berechtigung. Geht es aber darum, wie ich eine Stadt wie Linz versorgen kann, dann wird man um Profiprojekte nicht herumkommen, idealerweise mit dem Zusatz der Beteiligung.

In der FoodCoop Bonaudelta funktioniert das Zusammenspiel Bauer und Konsument © H.Gaukel

Bauernladen.at: Breitenwirksamkeit, aber die Vorzüge der kleinen Projekte nicht verlieren. Transparenz, Mitbestimmung, lokale Verankerung, ökologische Produktion, wie soll das gehen?

Dax: Es ist wichtig, von Anfang an mitzudenken, wie man ein Projekt so gestalten kann, dass es einem am Ende keiner aus der Hand nehmen kann – auch wenn es eine gewisse Größe erreicht. Da kann man zwischenzeitlich auf Erfahrungen aufbauen – und auch auf Fehlern aus der Vergangenheit zum Thema Marktmacht im Lebensmittelbereich.

Bauernladen.at: Und dann gibt es noch das Spannungsfeld Convenience vs. hochwertige Rohstoffprodukte, welcher Trend wird an Bedeutung gewinnen?

Dax: Um diese entgegen gesetzten Strömungen wahrzunehmen, muss man nur einen Blick in den Supermarkt werfen, da liegt Convenience neben natürlichen Rohstoffprodukten. Gleichzeitig boomen Kochsendungen und werden Kochbücher zu Bestsellern. Auch ich esse manchmal außer Haus, liebe es aber gleichzeitig, mit guten Rohstoffen zu kochen. Welcher Trend sich durchsetzen wird, ist zum heutigen Zeitpunkt aber ohnehin vernachlässigbar. Selbst wenn es nur 20 Prozent sind, die sich für Transparenz bei Lebensmitteln entscheiden, sind das hunderttausende Menschen. Ob es künftig 300.000 oder drei Millionen sein werden, spielt im Moment noch keine Rolle. Es wird nie ein Entweder Oder geben. Außer die politischen Rahmenbedingungen spitzen sich weiter zu. Beispielsweise wenn durch den Brexit, kleinere Betriebe bei der Vergabe der Agrarfördermittel noch weiter benachteiligt werden. Man muss sich schon Gedanken machen, wie sich solche Rahmenbedingungen auf unsere Versorgungslage auswirken. In den USA ist es ja beispielsweise bereits nicht mehr einfach, unverarbeitete Erdäpfel zu kaufen.

Bauernladen.at: Was man konsumiert, das hat ja auch soziale Hintergründe. Welche Rolle spielen werden die künftig spielen?

Dax: Unter welchen Umständen man aufwächst, das spielt schon heute eine große Rolle. Meine Partnerin hat in einer Wiener „Brennpunktschule“ unterrichtet und Schüler erlebt, deren Jause ein Packerl Chips war. Die Frage, warum sie nicht auch mal ein Brot mitbekommen, stellte sich gar nicht. Brot gab es bei ihnen zuhause nicht. Das heißt, wir haben auf der eine Seite den „from nose to tail“-Ansatz, auf der anderen Seite Kinder, die sich ausschließlich von Chips und Burger ernähren und nicht wissen, was eine Zwetschge ist. In Wien liegen oft nur Häuserblöcke zwischen diesen zwei Welten. Dem Thema Ernährung wird in der Bildung und in der Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen viel zu wenig Augenmerk geschenkt. Dabei ließe sich regionales, biologisches Essen in Schulkantinen mit etwas politischem Willen schnell umsetzen. Selbiges gilt übrigens für Kindergärten und Krankenhäuser. Wer je in eine Krankenhauskantine geschaut hat, der wundert sich nicht mehr über Diabetes & Co.

Interessieren Sie sich für FoodCoops oder andere Modelle, bei denen Sie Ihre Produkte direkt beim Bauern beziehen können? Dann lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews mit Dominik Dax!

https://cms.bauernladen.at/konsumenten-konnen-heute-wesentlich-mehr-leisten-als-nur-einkaufen/

Sie wollen tiefer ins Thema eintauchen? Hier können Sie das tun!

http://eng.hansalim.or.kr
http://www.foodcoops.at
https://bonaudelta.wordpress.com