Dominik Dax bringt Bauern und Konsumenten auf unterschiedlichsten Wegen zusammen und ist immer dann beeindruckt, wenn Grenzen gesprengt werden.

Dominik Dax mit einer Kiste Tomaten

Dominik Dax studierte Lehramt, ist Nebenerwerbsbauer und Bio Austria-Nahversorgungsberater. © www.daxanbau.at

Bauernladen.at: Wie kommt man vom Lehramt zum Landwirt mit Direktvermarktungs-Expertise?

Dominik Dax: Am Anfang stand die FoodCoop. Anfang der 2000er Jahre, mit Einsetzen des Biobooms, wurde mir die Herkunft meiner Lebensmittel wichtiger. Ich bin einer FoodCoop beigetreten und habe mich mit dem theoretischen Unterbau der Ernährungssouveränität* beschäftigt. Irgendwann war mir das viele Reden über Landwirtschaft zu wenig und ich habe bin von der Konsumenten- in die Produzentenrolle gewechselt. Heute betreibe ich ein landwirtschaftliches Nebenerwerbsprojekt, Biogemüse mit Direktvermarktung und beliefere FoodCoops, bin aber auch in der klassischen Direktvermarktung aktiv – biete Abo-Gemüsekisten und stehe auf Bauernmärkten.

Bauernladen.at: Sie sind auch Nahversorgungsberater bei Bio Austria. Was tut man als so als Nahversorgungsberater?

Dax: Man unterstützt Gemeinden und Personengruppen mit Interesse an innovativen Nahversorgungsmodellen, in die Produzenten und Konsumenten involviert sind.

Bauernladen.at: Sie bringen also Bauern und Konsumenten auf unterschiedlichsten Wegen zusammen und zeigen Konsumenten, dass sie mehr leisten können, als „nur“ einzukaufen?

Dax: Das ist die Grundidee. Die Ausformungen sind dabei sehr verschieden und kreativ. Das geht von FoodCoops über finanziell verbindliche Partnerschaften bei solidarischer Landwirtschaft, Genossenschafts- oder Crowdfunding-Projekten – zum Beispiel dem Cowfunding – bis hin zur Mitarbeit, etwa auf Mietgärten oder Gemeinschaftsäckern. Ich bin der Multiplikator, der innovative Ideen an interessierte Menschen weitergibt, sozusagen die Spinne im Netz für die, die ein neues Projekt beginnen wollen.

Bauernladen.at: Wie bringen Sie die unterschiedlichen Perspektiven, die bäuerliche und die des Konsumenten unter einen Hut?

Dax: Mit Hilfe von sehr individuellen Lösungen, die sowohl die Ressourcen wie auch die Motivation aller Beteiligten berücksichtigen. Modelle der solidarischen Landwirtschaft sind aus bäuerlicher Sicht beispielsweise sehr beruhigend. Man hat sein Gemüse für ein Jahr im Voraus verkauft, der Konsument weiß, er erhält ein Jahr lang einen Ernteanteil. Wenn ich aber einen Garten habe, kann ich mich im Sommer selbst versorgen. In so einem Fall wird eine FoodCoop Mitgliedschaft die bessere Wahl sein, da kann ich wöchentlich entscheiden, ob ich bestelle oder nicht. Ich bin flexibler, gleichzeitig ist aber der Organisationsaufwand höher und es gibt dem Bauern gegenüber keine Verbindlichkeit. Jedes Modell hat Stärken und Schwächen. Und die Ausführung ist immer unterschiedlich. Das FoodCoop-Modell einer Gemeinde wird nie genauso umgesetzt werden wie das der Nachbargemeinde. Es gibt solidarische Landwirtschaften, die sind rein bäuerlich organisiert, bei anderen arbeiten die Konsumenten in der Organisation mit.

Bauernladen.at: Selbst etwas „tun“ müssen, mitzuarbeiten, schreckt das Konsumenten nicht ab?

Dax: Wenn ich in Workshops eine halbe Stunde verschiedene Modelle durchspiele und die Vor- und Nachteile aufzeige, revidieren Menschen ihre Meinungen mitunter. Dann wird aus dem anfänglichen „Selber was tun? Eher nicht, da kenne ich mich nicht aus und die Zeit habe ich auch nicht“ schon mal ein „Eigentlich ist das gar nicht so abwegig“. Fakt ist aber: Alle müssen mitspielen.

Wenn eine Gemeinde sich einen Bauernmarkt wünscht, das Wochenpensum der Bauern aber eh schon bei 60 bis 80 Stunden liegt, dann wird es vielleicht einen Bauernmarkt geben, aber ohne Bauern.

In so einem Fall ist ein Abhol-Modell die bessere Lösung.

Bauernladen.at: Das Bedürfnis zu wissen, woher die eigene Nahrung kommt, trifft den Zahn der Zeit. Gleichzeitig sperren immer mehr herkömmliche Nahversorger zu – Stichwort Greisslersterben – ist das nicht eine paradoxe Situation?

Dax: Die Realität ist: Auf der einen Seite wird der Wunsch nach Nahversorgung, regionaler Verankerung, nach Bio immer größer, auf der anderen Seite sperren weiter überdurchschnittlich viele klein strukturierte, regionale Betriebe zu, es gibt nicht nur ein Greissler-, sondern auch ein Bäcker- und Bauernsterben. In genau diese Lücke stoßen innovative Nahversorgungsmodelle.

Bauernladen.at: Welches Projekt beeindruckt Sie gerade besonders?

Dax: Ich bin immer dann beeindruckt, wenn Leute Grenzen sprengen. Beispielsweise wenn ich predige, dass eine FoodCoop maximal mit 50 Haushalten funktionieren kann und dann eine neue Food Coop mit 150 Haushalten das Gegenteil beweist. Ein aktuelles, sehr innovatives Projekt ist „Ums Egg“ in Losenstein (Anm.: Steyr-Land). Dort wird eine Greisslerei als gemeinwohlorientierte Dorfgenossenschaft wieder eröffnet. Sowohl Produzenten als auch Konsumenten können Mitglied werden, jeder hat Mitspracherecht, die Genossenschaft ist demokratisch organisiert.

Bauernladen.at: Funktioniert das mit der Basisdemokratie tatsächlich?

Dax: Natürlich bewegt man sich da in einem Spannungsfeld. Ich beschäftige mich seit 15 Jahren mit Basisdemokratie und kenne ihre Stärken und Schwächen. Gruppendynamik ist immer ein Thema. Und wird die Gruppe größer, stellen sich auch organisatorische Fragen, etwa „Wie organisiere ich eine Sitzung mit 50 Leuten in einem Raum. Das ist eine eigene Wissenschaft. Klar ist aber: Wer nicht teamtauglich ist, der hat in all diesen Projekten nichts verloren, wird dort nicht glücklich werden.

Bauernladen.at: Nicht teamtauglichen Menschen bliebe dann beispielsweise die Option der Selbstbedienungsläden, die gerade einen Boom erleben. Welches Potenzial haben die?

Dax: Container, Automaten, oder Hofläden, die 24h geöffnet haben. Damit werden gleich zwei Bedürfnisse abgedeckt: Die Bauern sparen Zeit, müssen nicht allgegenwärtig sein und die Konsumenten können sich auch am Sonntag oder nach acht Uhr abends schnell was holen. Schließlich wird der klassische „Nine to Five“-Job weniger. Außerdem geht damit Bewusstseinsbildung einher. So wie es früher war, dass man immer hinkommen kann zu einem Bauernhof, dass immer einer Zeit zum Tratschen hat, den Speck und ein Glasl Wein rausholt, das ist nicht mehr zeitgemäß. Familienstrukturen verändern sich. Das ist auch mein persönliches Thema. Ich habe keinen Hofladen, obwohl mich viele Leute darauf ansprechen. Ich kann ihnen dann nur sagen, Leute, es ist schön, dass ihr den Weg auf euch nehmen wollt, aber auch mein Tag hat nur 24h und ich kann nicht ein Drittel davon für den Obst- und Gemüseverkauf verwenden. Von daher sind Lösungen, wie Gemüsekisten, die nach Vorab-Überweisung in Selbstbedienung geholt werden, praktikabel. Manche Hofläden haben eigene Chipkarten mit Guthaben, andere arbeiten mit Wechselgeldkassen, die auf Vertrauen basieren.

Bauernladen.at: Lohnen sich Systeme, die auf Vertrauen basieren, oder gibt es hier auch Missbrauch?

Dax: Vor einem Jahr habe ich gelesen, dass 100 kg Erdäpfel aus einem Selbstbedienungsladen gestohlen wurden. Gut, es soll nichts Schlimmeres passieren. Wenn man will, kann man das Ganze natürlich professionalisieren, mit Videoüberwachung etc., es gibt schon jetzt viele IT-Lösungen dafür und das Thema wird noch wachsen.

Bauernladen.at: Für Städte sind Container ja nicht unbedingt geeignet …

Dax: Bestenfalls sind Verkehrsknotenpunkte in der Nähe von Städten ein Thema. Sonst scheitert es an der logistischen Problemen. Es gibt kaum Plätze, wo ich kostengünstig einen Container hinstellen, mit dem LKW stehen bleiben, und gut nachbestücken kann.

Sie wollen wissen, warum das Umfeld, in dem man aufwächst, nicht egal ist und Dominik Dax dem Online-Handel mit Lebensmitteln kein großes Potenzial zuschreibt?

Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews!

https://cms.bauernladen.at/es-gibt-in-osterreich-kinder-die-nicht-einmal-mehr-wissen-was-eine-zwetschge-ist/