Jetzt mischen sich  auch noch die Buddhisten in die Tierwohldebatte ein. Warum gerade das aber der Schlüssel sein könnte, wurde jüngst klar, als die heimische Buddhistische Gesellschaft das Thema in hochkarätiger Runde diskutierte.

Diskutierten mit Maria Harmer: Alfred Haiger, ehemaliger Vorstand des Institutes für Nutztierwissenschaften an der BOKU Wien, Bauernbund-Präsident Georg Strasser und Zenmeister Vanja Palmers (aus der Palmers-Dynastie). ©ÖBG

„Dort wo Tiere sind und wo Leiden ist, ist der Buddhismus in der Verantwortung, sich darum zu kümmern”, sagt Gerhard Weißgrab, Präsident der österreichischen buddhistischen Gesellschaft und erklärt, warum: Zum einen, seien Mensch wie Tier aus buddhistischer Sicht fühlende Wesen und es bestehe kein Unterschied, wenn es darum geht, Leiden zu vermeiden und Wohlbefinden erreichen zu wollen. Zum anderen basiere das buddhistische Weltbild auf der gegenseitigen Bedingtheit: “Das heißt, dass nichts geschieht und wir auch nichts tun können, ohne dabei immer auf das Ganze zu achten.” Alles stehe in gegenseitiger Wechselbeziehung. Daraus auszusteigen? Geht nicht. “Daher ist es unmöglich, sich um das Leiden der Tiere in der Landwirtschaft zu kümmern, ohne auch die Bauern, die Konsumenten und das gesamte Umfeld im Auge zu behalten”, so Weißgrab. So gesehen also ganz normal, dass man Bauernbund-Präsident Georg Strasser, Zenmeister Vanja Palmers, Erbe der Textilindustrie und den streitbaren Nutztierwissenschaftler Alfred Haiger jüngst zur Podiumsdiskussion über alternative, tierethisch vertretbare Szenarian für die Landwirtschaft in die Urania lud.

Mensch wie Tier sind aus buddhistischer Sicht fühlende Wesen, es besteht kein Unterschied, geht es darum, Leiden zu vermeiden und Wohlbefinden erreichen zu wollen.

“Auch Bilder können radikal sein”

Vanja Palmers, Erbe der gleichnamigen Textilkette ist heute buddhistischer Zen-Meister und hat 1999 mit dem Benediktinermönch David Steindl-Rast das Zenkloster Felsentor gegründet, dem auch ein Gnadenhof angeschlossen ist. In der Vergangenheit war er allerdings Tierrechtler – er gründete den Verein gegen Tierfabriken. Und den kann er auch nicht ganz ablegen. Noch heute verbeugt er sich etwa jedes Mal, wenn er vor einem Schlachthaus vorbeifährt und schämt sich, Teil der menschlichen Spezies zu sein. Er plädiert dafür, Tierarten nicht mehr weiter auf das Haltungssystem zurechtzustutzen: “Kühe werden enthornt, Hühnern werden die Schnäbelspitzen abgebrannt, Schweinen die Eckzähne ausgebrochen und die Schwänze abgeschnitten.” Dass Schweine uns Menschen die nächsten Verwandten seinen, mit einem komplexen sozialen Leben, das vergesse man: “Biologisch gesehen ist der Mensch ein vertikales Schwein, das Schwein ein horizontaler Mensch”, so Palmers. “Wir setzen Menschen Herzklappen von Schweinen ein.” Klare Worte, aber geht radikaler Tierrechtsaktivismus und Buddhismus eigentlich zusammen? Nein, sagt Weißgrab: „Der Buddhismus definiert sich nicht nur durch Gewaltlosigkeit, Mitgefühl und Weisheit, er gilt auch als ein Weg der Mitte, der das Extrem vermeidet.” Das bedeute achtsam Zuhören, sich mit gegenseitigem Respekt behandeln und die Menschen dort abholen, wo sie stehen. Jede Form von Radikalität sei dabei völlig kontrakproduktiv: “Auch Bilder können radikal sein, dramatische Bilder von Tierleid lösen ganz selten Massenveganismus aus“.

“Teil einer Existenz”

Bauernbundpräsident Georg Strasser gefällt der Ansatz des Buddhismus “nicht dogmatisch unterwegs zu sein, nicht schuldzuweisend.” Wie er das große Ganze sieht? “Wir Bauern sind mit den Konsumenten unter gewissen Rahmenbedingungen Teil einer Existenz.“ Die Tierwohlstandards in der heimischen Landwirtschaft seien hoch, versichert er. In seinem Stall trage jede der 15 Milchkühe einen Namen und er schaue darauf, dass sie alt würden. Das sei eine ethische Verpflichtung. “Die Tiere könnten die Atmosphäre spüren, in der sie leben.” Die heimische Bauernschaft sieht Strasser naturgemäß auf einem guten Weg. “Wenn der Konsument Bio und Regional nachfragt, dann geht die Landwirtschaft in diese Richtung. Und das spüren wir. Wir sind von der Biofläche bald auf 25 Prozent in Österreich.” Dass die Welt aber nicht überall im Land so heil ist, darauf wies eine Zuschauerin hin, die in ihrer Nachbarschaft im Waldviertel mit einem Stall  konfrontiert ist, in dem 40.000  Hühner leben – einer Rasse, die nicht älter als zwei Monate wird und quasi sich selbst überlassen ist.

Gefühlschaos angesichts der Massentierhaltung

Nach Abwägung aller Argumente und vielen Diskussionen mit Bauern sähe sie keinen anderen Weg als den Vegetarismus. Die Runde konfrontierte sie mit ihrer Verzweiflung, nicht zu wissen, wie mit dem Gefühl umzugehen sei, jeden Tag an dem Massenstall vorbei zu müssen. Mitzuerleben, wie in der Früh schwache Tiere herausgesucht würden, in Container verladen, nach Oberösterreich gekarrt und das Ganze dann mit dem Label Tierwohl etikettiert würde. Zenmeister Palmers riet, im ersten Schritt das eigene Konsumverhalten zu überdenken: “Jede Situation ist auch eine Gelegenheit, etwas zu tun. Das Wesentlichste ist, diese Industrie nicht zu unterstützen, sich zu verweigern.” Was nicht heiße, dass man nicht ein Huhn essen könne, kenne man die Haltung. “Bewußter Konsum jedes Einzelnen ist eine ganz zentrale, wichtige Position.” Darauf einigte man sich schließlich auch: Die Verantwortung und die Handlungsspielräume, etwas zum Wohl der Nutztiere beizutragen, liegen in letzter Konsequenz bei jedem einzelnen.

Das Event fand im Rahmen der Reihe “Buddhismus im Dialog” statt, in Zusammenarbeit mit “Animal Compassion”, dem buddhistischen Verein zur Wahrnehmung der Tiere als fühlende Wesen.

Die gesamte Diskussion gibt es hier als Podcast zum nachhören!

http://www.buddhismus-austria.at/

http://www.animalcompassion.de/