Trägt das Image der Landwirtschaft zu einer steigenden Zahl von Veganern bei? Und wenn ja, wie können die Bauern gegensteuern?

Pärchen mit Henne

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“Es spricht vieles dafür, diese Frage zu bejahen”, sagt Agrar- und Lebensmittelmarketing-Experte Ulrich Hamm nach einer mündlichen Befragung von 400 Personen zwischen 16 und 78 Jahren mit einem veganen Lebensstil zu ihren Wertorientierungen und Einstellungen zu verschiedenen Aspekten der landwirtschaftlichen Produktion in veganen Supermärkten in verschiedenen Städten. Die Veganer selbst unterteilt er in zwei Gruppen: Die Antispeziesisten – Menschen, die Tieren die gleichen Rechte wie Menschen zusprechen, und die Kritiker der Intensivtierhaltung.

Romantische Vorstellung

“Veganer, die aus dem Gedanken des Antispeziesismus heraus agieren”, so Hamm, “sind als Zielgruppe von imagefördernden Maßnahmen einer tiergebundenen Landwirtschaft nicht erreichbar, weil zwei gänzlich unterschiedliche Werthaltungen bzw. Kulturen aufeinander treffen.” Bei einer Gleichsetzung von Mensch und Tier erscheinen Eingriffe wie Schnabelkürzen oder Kastration besonders skandalös. Aus dieser Haltung heraus sei die Ablehnung des Statements „Es ist in Ordnung, wenn Menschen tierische Produkte verzehren, um nicht zu hungern“ nachvollziehbar, auch wenn sie für andere verstörend wirke. Anders verhält es sich mit der zweiten Gruppe, den Kritikern der Intensivtierhaltung. Doch auch die hat ein Problem: Ihre romantisierte Vorstellung, die etwa die Größe eines Betriebes mit dem Tierwohl in Verbindung bringt, selbst wenn Zahlen eine ganz andere Sprache sprechen. So wird z.B. in dem von eher kleinen und familiär geführten Landwirtschaftsbetrieben geprägten Bayern ein größerer Anteil von Milchkühen in Anbindehaltung und ohne Freilauf gehalten als in den deutschen Bundesländern mit größeren Betriebsstrukturen. “Wenn ein als ideal empfundener Betrieb von romantisierenden Vorstellungen geprägt ist, können um Objektivität bemühte Darstellungen einer modernen Landwirtschaft das Image beim Verbraucher nicht positiv beeinflussen”, konstatiert Hamm. Images seien ja keine Schlussfolgerungen aus empirisch gewonnenen Daten, sondern von verschiedenen Eindrücken, Gefühlen und Kommunikationserlebnissen geprägte Bilder, die umso stärker wirken, je größer die Entfremdung vom Gegenstand ist. Ebenfalls nicht zielführend: Kommunikationsangebote, die mit Abbildungen moderner Tierhaltung deren Artgerechtigkeit zu belegen versuchen. Die wirken wegenn ihrer oft technikbetonten Darstellungsweise eher abschreckend. Wer aber nur Tiergruppen im Freiland zeigt, der erscheint nicht glaubhaft.

© Claudia Busch und Prof. Dr. Ulrich Hamm, Fachgebiet Agrar- und Lebensmittelmarketing, Universität Kassel

Respektieren und erzählen

Was also tun? “In der Kommunikation die Ansichten des Gegenübers respektieren und positive, authentische Geschichten erzählen”, sagt Hamm. Individuelle Persönlichkeiten von Bauern mehr in den Vordergrund zu stellen, scheint ein wichtiger Schritt, um das Image der Branche zu verbessern. “Zum einen wird dadurch mehr Emotionalität hergestellt, zum anderen führen Dialogbereitschaft und authentische Auftritte dazu, dass Empfänger einen transparenteren Zugang zu den bisher ,verschlossenen Stalltüren’ bekommen.

Was also tun? “In der Kommunikation die Ansichten des Gegenübers respektieren und positive, authentische Geschichten erzählen.”

Landwirtschaft, sagt Hamm, sollte keine Werbefilme produzieren, in der die Realität schöngefärbt wird. Sie hat aber die Chance, das eigene Image zu verbessern, indem sie positive Zusammenhänge hervorhebt, die bisher noch unbekannt sind. Ein Beispiel dafür hat er auch: “Ein wichtiges Thema in der Nachhaltigkeitsdebatte könnte der Beitrag von extensiver Weidehaltung zur Biodiversität sein . Diese Zusammenhänge sind wenig bekannt. Betriebe mit dieser Haltungsform könnten in stärkerem Maße als bisher positive Effekte nicht nur auf die Gesundheit der eigenen Tiere, sondern auch auf die wild lebende Fauna betonen. Wildnis kann auch ein Qualitätsmerkmal sein, mit dem Haltungsformen erklärt werden, zum Beispiel in Bezug auf Herdengrößen.” Klar ist jedenfalls: Landwirte, die um ein positives Image bemüht sind, müssen die Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und landwirtschaftlicher Praxis in der Tierhaltung verringern und sich dabei über die Schulter schauen lassen: “In ihrem eigenen Interesse sollten sie daran mitwirken, tierquälerische Haltungsformen in ihrer Branche zu eliminieren und Artgerechtigkeit zu stärken. Die Auseinandersetzung mit der Kritik an Tierhaltungsmethoden ist für die Landwirte von besonderer Bedeutung, auch wenn sie von vielen als nicht gerechtfertigt angesehen wird.”